Christdemokraten aus Deutschland und Benelux fordern grundlegende Änderungen am Maut-Plan des Verkehrsministers

Berlin/Brüssel. Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) gerät wegen seiner Pläne für eine Pkw-Maut weiter unter Druck aus den eigenen Reihen. Sechs christdemokratische Abgeordnete aus Deutschland, den Niederlanden, Luxemburg und Belgien haben den Minister in einem Brief aufgefordert, sein Mautkonzept, das Straßenbenutzungsgebühren auf allen deutschen Straßen vorsieht, grundlegend zu überarbeiten. Die Aachener EU-Abgeordnete Sabine Verheyen (CDU), die den Brief an Dobrindt mitunterzeichnet hat, sagte: „Wir christdemokratischen Abgeordneten aus vier Ländern kritisieren in unserem Schreiben an Minister Dobrindt, dass die Grenzregionen im Konzeptpapier des deutschen Verkehrsministeriums keinerlei Beachtung finden. Dobrindts bisherige Pläne sind aus Sicht der Grenzregionen praxisfern und führen in die Sackgasse einseitig geplanter, rein nationalstaatlicher Verkehrspolitik.“

Der Minister müsse sein Konzept dringend überarbeiten. „Wir erwarten, dass mautfreie Zonen in Grenzgebieten eingerichtet werden und die deutschen Maut-Pläne nur im Zusammenhang mit einem gesamteuropäischen Konzept umgesetzt werden“, sagte Verheyen. Die Unterzeichner des Briefes vertreten die Europa-Regionen Maas-Rhein und Saarland-Lothringen-Luxemburg. Es handelt sich neben Verheyen um die Abgeordneten Markus Pieper und Hendrik Schmitz (beide Deutschland), Pascal Arimont (Belgien), Jeroen Lenaers (Niederlande) und Georges Bach (Luxemburg).

Wie Verheyen betont, gehört die Überschreitung nationaler Grenzen zum Alltag der Menschen und des wirtschaftlichen Lebens in ihrer Region, dem Länderdreieck zwischen Deutschland, den Niederlanden und Belgien. Dobrindts Mautpläne würden nicht nur dem grenznahen Warenaustausch schaden, sondern träfen auch Berufspendler sowie Freundeskreise und Familien, deren Angehörige regelmäßig die Grenze passieren. „Die Maut nach den Plänen von Herrn Dobrindt wirkt wie eine neue Zollabgabe und ist mit dem europäischen Prinzip der Nichtdiskriminierung nicht vereinbar. Sie zerschneidet – und darauf haben wir den Minister ausdrücklich hingewiesen – den in unserer Heimat geschaffenen grenzüberschreitenden Ausbildungs- und Arbeitsraum.“

Auf negative Auswirkungen der Maut für Grenzregionen hatten zuvor schon andere CDU-Politiker hingewiesen, darunter der nordrhein-westfälische Parteichef Armin Laschet, CDU-Bundesvizin Julia Klöckner und der sächsische Ministerpräsident Stanislaw Tillich. Letzterer fordert genau wie die Verfasser des Briefes Maut-Ausnahmen in Grenzregionen, wobei Tillich es offen lässt, ob es dort keine Vignettenkontrollen geben soll oder aber die Mautpflicht ganz entfällt.

Allerdings würden solche Ausnahmen die inländischen Bewohner von Grenzregionen gegenüber Deutschen im Hinterland erst einmal besserstellen. Denn wenn in der Nähe der Grenze die Mautpflicht entfiele, dann bräuchten die dortigen Kfz-Halter kein Geld für eine Vignette zu bezahlen, so lange sie ihr Auto nur für lokale Fahrten zum Arzt oder zum Einkaufen benutzen. Bei Senioren ist dies oft der Fall. Hingegen müssten sich solche Kurzstreckenfahrer im deutschen Hinterland eine Vignette kaufen.

Ausgleichen ließe sich diese Ungleichbehandlung nur dadurch, dass die Bewohner von Grenzregionen keine Entschädigung bei der Kfz-Steuer bekämen. Einen solchen Ausgleich für Inländer soll es nach dem Willen von Dobrindt ja geben: Er will die Sätze der Kfz-Steuer exakt um diejenigen Beträge senken, die für die Jahresvignette fällig würden. Aber eine solche Senkung wäre bei Kurzstreckenfahrern in Grenzregionen unangebracht, wenn man dort keine Vignette bräuchte. Jene Leute dann von der Kfz-Steuersenkung auszunehmen, würde die ohnehin aufwendige Umstellung der Kfz-Steuer noch komplizierter machen.

Indes befürchten die Unterzeichner des Briefes, dass Bewohnern von Grenzregionen eine andere Art von Belastung droht: im Ausland. Nach Meinung der angesehenen Europa-Abgeordneten Verheyen ist „damit zu rechnen, dass deutsche Autofahrer am Ende doch belastet werden, weil Nachbarländer als Reaktion auf die deutsche Maut mit einer eigenen Straßenbenutzungsgebühr nachziehen werden. Das wird gerade für alle deutschen Grenzbewohner eine vielfache finanzielle Belastung bedeuten.“ Denn wer an der Grenze wohnt, fährt oft ins Ausland und würde somit zum ersten „Opfer“ einer analogen Maut-Regelung in den Nachbarländern. Die Brüsseler EU-Kommission wartet unterdessen mit Spannung auf die endgültigen Pläne des Bundesverkehrsministers, die in Form eines Referentenentwurfs vermutlich im September kommen. Laut Verheyen wird die Kommission Dobrindts Konzept „extrem kritisch“ prüfen. Dabei steht für die Juristen der EU-Kommission im Vordergrund, ob Ausländer durch die deutsche Maut diskriminiert werden, weil sie ja anders als Deutsche nicht von der Senkung der Kfz-Steuer profitieren.

Dass dies extreme europarechtliche Probleme bereitet, wurde unlängst in einem Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages deutlich. Dort wird festgestellt, dass ein ausländischer Kurierdienst, dessen Pkw nach Deutschland hereinfahren, gegenüber deutschen Unternehmern benachteiligt würde: Er hätte die Vignette zu kaufen, würde aber bei der Kfz-Steuer nicht entschädigt. Eine solche wirtschaftliche Benachteiligung von Verkehrsunternehmen nur wegen eines Firmensitzes im Ausland hat die Kommission bisher stets verboten.

Die zusätzlichen Einnahmen aus der Maut will Dobrindt in den Erhalt der Verkehrsinfrastruktur investieren. Für Straßen, Schienen und Wasserstraßen im ganzen Land müssten mindestens 7,2 Milliarden Euro pro Jahr extra her, kalkulierte eine Expertenkommissionen im Auftrag der Länder. Tatsächlich hat die schwarz-rote Koalition in Berlin die Verkehrswege zu einer ihrer Prioritäten erklärt. Konkret reservierten Union und SPD aber weniger zusätzliches Geld als von vielen erhofft – insgesamt fünf Milliarden Euro bis zum Ende der Wahlperiode 2017.

Dobrindt erwartet aus der Maut jährliche Zusatzeinnahmen von 625 Millionen Euro. Kritiker halten diese angesichts des Bedarfs recht bescheidene Summe wegen des hohen Verwaltungsaufwandes etwa bei der Neuberechnung der Kfz-Steuer noch für zu optimistisch.