Union will Mindestalter für Sexarbeiterinnen auf 21 Jahre anheben. SPD gegen diese und andere Gesetzesverschärfungen

Berlin. Wie alt muss eine Prostituierte sein, damit der Staat ihre Tätigkeit hinnehmen kann? Mindestens 21, meinen CDU und CSU. Erst dann sei die Frau alt genug, um die Folgen ihres Tuns für sich selbst abschätzen zu können und Zuhältern nicht aus Naivität in die Fänge zu geraten. Doch diese Heraufsetzung des bisher bei 18 Jahren liegenden Mindestalters, von der Unionsfraktion im April in einem Eckpunktepapier zur Reform des Prostitutionsgesetzes gefordert, hält die SPD-Bundestagsfraktion für falsch.

„Wir lehnen ein Mindestalter von 21 Jahren für Prostituierte ab“, heißt es in einem neuen Positionspapier der SPD-Bundestagsfraktion. Ein höheres Mindestalter würde „Prostitution junger Menschen nicht unterbinden, sondern in die Illegalität verlagern“, argumentieren die Autoren aus der zuständigen SPD-Fraktionsarbeitsgruppe „Familie, Senioren, Frauen und Jugend“. Einig sind sich die Koalitionäre zwar darin, dass Prostitutionsstätten künftig einer behördlichen Genehmigung bedürfen, damit Bordelle besser überwacht werden können. Doch was genau dann überwacht werden soll, ist strittig. Die Union fordert Gesundheitsuntersuchungen bei den Prostituierten. Das will die SPD nicht mittragen: „Alle Maßnahmen“, so das SPD-Papier, „die Prostituierte weiter stigmatisieren beziehungsweise ihre Lebens- und Arbeitsbedingungen verschlechtern, lehnen wir ab. Das trifft beispielsweise auf Zwangsuntersuchungen zu.“

Genauso ist es es bei der Frage, ob Freier sich strafbar machen, wenn sie wissentlich mit Frauen verkehren, die von Zuhältern zur Prostitution gezwungen werden. CDU und CSU verlangen Strafen für solche Kunden von Zwangsprostituierten. Abermals Widerspruch von den Sozialdemokraten: „Auch die Strafbarkeit der Freier von Zwangsprostituierten lehnen wir als kontraproduktiv ab.“ Zur Begründung heißt es in dem SPD-Text, alle Experten von Polizei, Justiz und Frauenberatung hätten den Politikern „in den letzten Monaten vor Augen geführt, dass Freier wichtige Partner in der Bekämpfung von Zwangsprostitution sein können“. Denn oft könnten Freier „der Polizei und den Behörden entsprechende Hinweise geben oder die betroffenen Frauen zu einer Strafanzeige ermutigen“. Dies aber würden die Freier „nur dann weiterhin tun, wenn ihnen keine Strafe droht“, schreiben die Autoren des Papiers, SPD-Fraktionsvize Carola Reimann und Sönke Rix, Sprecher jener Fraktionsarbeitsgruppe.

Schon im Text des Koalitionsvertrages ließ sich sehr gut erkennen, dass es zum Streit kommen würde. Denn die betreffenden Formulierungen waren dort so diffus („umfassend überarbeiten“, „gesetzlich verbessern“) und so wenig konkret, dass der Vertrag in diesem Punkt nur als eine harmonisierende Umschreibung von Unvereinbarkeiten verstanden werden konnte. Tatsächlich hat das Thema seither immer wieder für Ärger gesorgt. So soll Unionsfraktionschef Volker Kauder (CDU) unlängst intern der SPD vorgeworfen haben, bei der Reform des Prostitutionsgesetzes zu mauern. Richtig daran ist, dass das zuständige Familienministerium der Sozialdemokratin Manuela Schwesig immer noch keinen Gesetzentwurf vorgelegt hat. Andererseits hat die Union die Ministerin auch nicht arbeiten lassen, sondern sie im April mit den genannten CDU/CSU-Eckpunkten konfrontiert, von denen der Union klar sein musste, dass Schwesig sie in entscheidenden Punkten ablehnt.

Ebenfalls nichts wissen will das Ministerium von einer weiteren Unionsforderung. Ginge es nämlich nach CDU und CSU, dann könnten Prostituierte künftig über Art und Umfang ihrer Sexualdienstleistungen selbst entscheiden und müssten sich dabei nach den Vorgaben ihrer „Arbeitgeber“ auch dann nicht richten, wenn sie deren Angestellte sind. Dies im Prostitutionsgesetz ausdrücklich festzuschreiben, hält das Ministerium für juristisch problematisch. Vielmehr, so Schwesigs Beamte, reiche die bisherige Vorschrift aus, dass Bordellbetreiber auch als Arbeitgeber nicht die sexuelle Selbstbestimmung der Frauen einschränken dürfen.

In einem Seitenhieb auf die Unionskritik am Zögern des Schwesig-Ministeriums kontern nun die SPD-Abgeordneten: „Bedauerlicherweise kann Ministerin Schwesig bei der Erarbeitung neuer Regelungen nicht auf Vorarbeiten aus ihrem Hause zurückgreifen. Denn die schwarz-gelbe Vorgängerregierung hatte zwar vier Jahre lang Zeit, die Bedingungen für Prostitution in ihrem Sinne zu regeln, sie hat diese Zeit aber ungenutzt verstreichen lassen.“

So bleibt als kleinster gemeinsamer Nenner der Koalitionäre nur, dass sie das 2002 von Rot-Grün beschlossene Prostitutionsgesetz überarbeiten wollen. Ansonsten beharren beide Seiten auf ihren Positionen. Die mit dem Thema in der Unionsfraktion betrauten Fraktionsvizes Nadine Schön und Thomas Strobl schickten ihre eigenen Eckpunkte vom April an alle Landtagsfraktionen von CDU und CSU in den 16 Bundesländern. Im Begleitschreiben lassen Schön und Strobl erkennen, dass sie auf Länderunterstützung für die Unionsposition hoffen.

Ja, Schön und Strobl hielten es sogar für gut, wenn aus den Ländern eventuelle Kritik an den Plänen Manuela Schwesigs angemeldet würde: „Wir würden uns freuen, wenn die Landtagsfraktionen der Union das Thema aufgreifen würden und sie das Eckpunktepapier für eventuelle politische Initiativen verwenden können. Es bietet eine Grundlage für parlamentarische Anträge.“ So etwas kommt in einer Koalition auf Bundesebene nicht alle Tage vor: Noch bevor die Bundesministerin dieser Koalition ihre Pläne für ein gemeinsames Vorhaben vorlegt, munitioniert ein Koalitionspartner seine Leute in den Ländern mit Argumenten gegen das, was aus dem Bundesministerium erwartet wird.

Derweil lässt der andere Koalitionspartner, die SPD, explizit die Ablehnung dieser Argumente deutlich werden. Meilenweit entfernt ist die Koalition von ihrem Ziel, die Prostitution besser und wirksamer zu regulieren als ihre Vorgänger.