Als Topmanager bei Bilfinger ist der ehemalige Ministerpräsident und CDU-Spitzenmann gescheitert

Berlin. George W. Bush? Ab in die Kiste. Giscard d’Estaing gleich hinterher, obendrauf Michael Gorbatschow, Horst Köhler und natürlich Königin, Pardon, Prinzessin Beatrix von den Niederlanden. All diese Fotos, diese Erinnerungen an große Momente und Begegnungen eines politischen Lebens, werden spätestens morgen ganz profan in einem Umzugskarton landen. Drei Jahre lang waren sie bei Roland Koch sorgfältig in einem schicken Mannheimer Eckbüro aufgereiht, auf dem Aktenschrank gleich links neben der Tür, gut sichtbar für jeden Gast, der gehörig beeindruckt zu sein hatte angesichts der Promidichte auf dem Schränkchen.

Es ist das bittere Scheitern eines Mannes, der zeigen wollte, dass ein Politiker sehr wohl auch ein Topmanager sein kann, allen Bedenkenträgern und Unkenrufern zum Trotz. Den neuen und sehr gut dotierten Job hatte der 2010 überraschend vom Amt des Ministerpräsidenten zurückgetretene Christdemokrat vor drei Jahren mit viel Zuversicht und viel Selbstvertrauen angetreten. Einer aus dem hessischen Landesparlament, der Koch jahrelang beobachtet und bekämpft hat, bringt es wohl am besten auf den Punkt: „Es scheint so, als ob Roland Koch wieder einmal zu viel zu schnell erreichen wollte und damit falsche Entscheidungen getroffen hat“, kommentierte der SPD-Fraktionschef im Landtag, Thorsten Schäfer-Gümbel, die überraschende Meldung von Kochs Abschied. Intern heißt es bei Bilfinger, Koch habe es auch an „Demut“ gemangelt. Und an Fingerspitzengefühl für Kulturen, Befindlichkeiten, Ängste von Mitarbeitern.

Schäfer-Gümbel kennt die allzu hochfliegenden Ambitionen von Roland Koch zur Genüge, und nicht nur er. Offen würde es in der hessischen CDU zwar niemand zugeben, aber auch in den eigenen Reihen wurde so manches mal nach dem Ausscheiden des langjährigen Frontmanns gestöhnt, dass Koch in mancher Hinsicht einen Trümmerhaufen hinterlassen hatte. Beispiel Universitätskliniken: 2006 hatte der damalige Ministerpräsident die Kliniken von Marburg und Gießen fusioniert und dann deren Verkauf an den Rhön-Klinikkonzern forciert. Doch das Ganze endete schier in der Katastrophe; die Krankenversorgung soll mangels Personal gefährdet sein, nicht einmal die Klinikseelsorge soll noch richtig funktionieren. Mittlerweile will das Land gegen das Klinikum klagen, weil immer noch nicht die versprochenen Krebstherapieanlage eingerichtet wurde.

Auch ansonsten hat Koch viel Porzellan zerdeppert. Weder ist Hessen heute staufrei, wie er einst zum Auftakt eines ambitionierten Projekts versprochen hatte, noch besteht Aussicht, den gigantischen Schuldenberg, der in Kochs Regierungszeit immer höher wurde, abzubauen. Und im Raum Frankfurt denken viele ohnehin beim Namen Koch zuerst an den Fluglärm. Anwohner fühlen sich von dem CDU-Mann hintergangen. Denn erst hatte Koch den Bau der neuen Landebahn durchgedrückt, Bedenken der Anwohner hatte er mit dem Versprechen auf ein Nachtflugverbot besänftigt. Dann hatte er just dieses Nachtflugverbot ausgehebelt mit der Begründung, es habe ja ohnehin vor Gericht keinen Bestand. Und schließlich war der Jurist dann eben zu just jenem Unternehmen abgewandert, das die Landebahn planiert hatte.

Dort wollte Koch aus einem Konzern, der aus über 500 Einzelunternehmen bunt zusammengewürfelt war, eine Marke mit gemeinsamer Identität, gemeinsamem Auftritt und gemeinsamen prächtigen Gewinnen machen. Nichts davon ist gelungen, bei Bilfinger, so heißt es, herrsche mittlerweile das blanke Chaos, weil niemand mehr wisse, wo die Fahrt überhaupt hingehe. Gleich zweimal binnen weniger Tage musste Koch die Gewinnerwartungen nach unten korrigieren. Das hat ihm die Börse übel genommen, vor allem aber seine Investoren.

Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier, Nachfolger von Koch und dessen langjähriger Wegbegleiter, will sich aus dem Urlaub hingegen lieber erst mal nicht zu der Causa Koch äußern. Er müsse erst mal mit Koch selbst reden. Das Schweigen sagt sehr viel. Denn die Aussicht, dass das nunmehr arbeitslose Alphatier aus Eschborn es noch einmal zurück in die Politik ziehen könnte, dürfte Bouffier wenig froh stimmen. Er, der ältere, hat sich lange genug mit Position zwei hinter Koch begnügt, jetzt will der CDU-Chef den Führungsanspruch in der Partei und in der Regierung nicht mehr aufgeben.

Und eine Koalition mit den Grünen wäre unter dem Brachialrhetoriker, der scharfzüngig und empathiefrei gegen die doppelte Staatsbürgerschaft und für höhere Strafen für jugendliche Gewalttäter gekämpft hatte, auch kaum denkbar. Der Spitzenmann der Grünen und heutige Vize-Ministerpräsident Tarek Al-Wazir hatte sich zeitweise geweigert, Koch die Hand zu schütteln. Denn 2008 hatte Koch Wahlkampf gemacht mit dem Slogan: „Ypsilanti, Al-Wazir und die Kommunisten stoppen.“

In Berlin fällt der Name Roland Koch immer noch häufig. Allerdings weniger, wenn es darum geht, seine politischen Taten zu würdigen. Roland Koch wird als einer derjenigen genannt, die sich am Ende der Kanzlerin ergeben haben. Die erkannten, dass es nicht mehr höher hinausgeht, solange Angela Merkel in der CDU etwas zu sagen hat. Also lange. Merz, Koch, Rüttgers, Wulff – in dieser Reihe fand er sich in Gesprächen wieder. Koch ist dabei der personifizierte Konservatismus.

Einer, der Koch seit Jahrzehnten kennt, ist Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU). Er hofft auf eine Rückkehr. Seehofer sagte: „Ich habe Roland Koch immer hoch geschätzt. Er ist ein außerordentlich kluger Kopf. Wenn er es will, warum nicht, er ist ja noch jünger als ich. Entscheiden muss er natürlich selbst. Ich wünsche es mir, für die Union und für ihn.“