Alexander Dobrindts Konzept ist der Hit im politischen Sommertheater, zerredet und kritisiert von fast allen Seiten

Berlin. Alexander Dobrindt hatte einen schönen Plan. Wenn er sein Konzept für eine Pkw-Maut kurz vor den Sommerferien vorlegt, so dachte sich der CSU-Verkehrsminister, dann hat er schnell Millionen deutscher Urlauber hinter sich – wer auf der Fahrt in den Süden eine Autobahngebühr berappen muss in Österreich, der Schweiz oder Frankreich, dem muss die deutsche Pkw-Maut „für Ausländer“ doch einleuchten. Selten hat sich ein Minister so verkalkuliert wie Dobrindt. Wenn er am Wochenende aus dem Urlaub zurückkehrt, brennt daheim die Hütte: Sein Mautkonzept ist der Hit im politischen Sommertheater, hoffnungslos zerredet, kritisiert von fast allen Seiten, zuletzt von Juristen des Bundestags. Drei Viertel der Bundesbürger glauben dem Minister sein Versprechen nicht, dass die Maut sie nichts kosten würde. Als „Mautheld“ muss sich Dobrindt in diesen Wochen verspotten lassen, als Vater eines „Bürokratiemonsters“, als „größte Enttäuschung“ des Kabinetts.

Was für ein Absturz. Gestartet ist der 44-jährige Dobrindt in Berlin vergangenes Jahr doch als der neue Star der CSU, als Horst Seehofers starker Mann in Berlin. Das Vertrauen des bayerischen Ministerpräsidenten hatte er sich als CSU-Generalsekretär erarbeitet, der mithalf, die absolute Mehrheit zurückzuholen. Doch Seehofer gab ihm mit der Maut gleich schwerstes Gepäck mit. Die Autobahngebühr ist Seehofers Steckenpferd, mit harter Hand hat er es gegen die Bedenken von CDU und SPD in den Koalitionsvertrag hineinverhandelt. Der Ministerpräsident hat an der Basis erlebt, wie sehr das Thema in Bayern zündet, weil die Autofahrer sich ärgern, dass sie an der südlichen Landesgrenze abkassiert werden. Aber jetzt in Berlin geht es nicht nur um Neidreflexe: CDU und SPD haben Seehofer Bedingungen für die Maut diktiert, die kaum erfüllbar sind.

Der Druck ist groß für Dobrindt. Zu groß? „Ein Dobrindt scheitert nicht“, sagt Seehofer, aber das klingt inzwischen wie eine Mahnung. Auch Seehofer hat mitbekommen, wie schwer sich sein bester Mann in dem Ministeramt tut. Die Etiketten für sein „Zukunftsministerium“ hatte der Neue zwar schnell parat: „Mein Job ist es jetzt, für eine hochmoderne und intelligente Infrastruktur in unserem Land zu sorgen.“ Geliefert hat der Minister bisher so gut wie nichts. Das lag auch daran, dass er ein Ministerium im Umbau übernahm. Die Zuständigkeit für Baupolitik ist weg, die neue Verantwortung für Internetpolitik teilt sich Dobrindt mit zwei anderen Ministern. Aber wie blass der Ressortchef geblieben ist, wie defensiv er auftritt, dass wundert auch jene in der CSU, die ihn gut kennen. Denn bisher galt der Diplomsoziologe als Meister des Rollenspiels, als einer, der mal eben ein völlig neues Erscheinungsbild von sich zaubern kann: 19 Kilo hat er in seiner Generalsekretärs-Zeit abgenommen, mit neuer Woody-Allen-Brille und schlank geschnittenen Anzüge einen neuen Dobrindt aus sich gemacht.

Nach innen hat er der CSU als General erfolgreich eine Modernisierung verordnet. Nach außen gab Dobrindt den Haudrauf, der nicht nur die halbe Bundeshauptstadt durchbeleidigt hat – von „Gurkentruppe“ (über die FDP) über „Falschmünzer“ (EZB-Chef Draghi) bis zu „übergewichtig und unterbegabt“ (für SPD-Chef Gabriel). Die Grünen rückte er im Wahlkampf in die Nähe von Pädophilen. Es gibt nicht wenige, die noch eine Rechnung mit ihm offen haben. Die ihn kennen, versichern, Dobrindt poltere nicht aus Leidenschaft, er habe das einfach für seine Aufgabe gehalten. Vielen in Berlin ist diese am Reißbrett entstandene Empörung aber erst recht nicht geheuer. Auch die Kanzlerin soll nicht begeistert gewesen sein, als Dobrindt in ihr Kabinett rückte. Dass er sein Maut-Konzept noch vor der Sommerpause vorlegte, hätte Merkel gern verhindert.

Aber Dobrindt stand schon zu sehr unter Erwartungsdruck, und er hatte sich ein paar Überraschungen ausgedacht: Damit etwas Geld übrig bleibt von der Maut, soll die Gebühr auf allen Straßen erhoben werden. Damit die Verrechnung mit der gestaffelten Kfz-Steuer funktioniert, gibt es nicht eine Einheitsvignette, sondern ein kompliziertes Vignetten-System. Und damit die EU-Kommission trotzdem zustimmt, will Dobrindt das Projekt in getrennten Gesetzen beschließen lassen, die womöglich zeitversetzt wirksam werden. Selbst wenn Brüssel mitmacht – der Plan verspricht wenig Einnahmen, viel Bürokratie und noch mehr Ärger. Offene Kritik ist aus Koalitionsräson tabu. In der SPD-Spitze heißt es hinter vorgehaltener Hand aber ganz unverblümt: „Dobrindt wird mit der Maut ganz sicher scheitern.“