Mit widersprüchlichen Forderungen zu Ausnahmen von der Abgabe in Grenzregionen wird der Bundesverkehrsminister bloßgestellt

Berlin. Wie soll man es nennen, was die SPD mit Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) bei der Pkw-Maut macht? Spiel ohne Grenzen? Spiel stimmt, und tatsächlich ist die Freude der Sozialdemokraten, dass jetzt die CSU selbst über die Maut streitet, grenzenlos.

Aber eigentlich müsste es „Spiel mit Grenze“ heißen, denn seit Bayerns Verkehrsminister Joachim Herrmann (CSU) Ausnahmen von der Pkw-Maut in grenznahen Regionen verlangt hat und dafür von CSU-Chef Horst Seehofer scharf gerüffelt wurde, seinen Vorstoß aber nicht zurücknahm, spielen SPD-Politiker in immer neuen Variationen mit dem Thema Grenze. Sie produzieren damit ein Diskussionschaos, in dem die Widersprüche des Dobrindt-Konzepts offenbar werden sollen.

Die SPD spaltet sich in drei Gruppen auf. Zur ersten gehören jene, die ebenfalls Ausnahmen in Grenzregionen fordern, etwa Roger Lewentz, Innenminister in Rheinland-Pfalz. Er befürchtet Umsatzeinbußen in der Region Trier, zudem einen Passagierrückgang am Flughafen Hahn, der wegen der Maut ausländische Reisende verlieren könnte. Also will er auch für Rheinland-Pfalz Mautfreistellungen haben.

Die zweite SPD-Gruppe hingegen hält Ausnahmen für falsch. Dazu gehört etwa die verkehrspolitische Sprecherin der SPD im Bundestag, Kirsten Lühmann. Zwar sagte Lühmann, die grenznahe Wirtschaft würde leiden, und es würden Steuereinnahmen verloren gehen, wenn Ausländer durch die Pkw-Maut davon abgeschreckt würden, in grenznahen Gebieten in Deutschland einzukaufen. Doch Ausnahmen seien „hoch problematisch, weil sie für Diskriminierung sorgen“. Entweder „würden Deutsche in grenznahen Gebieten diskriminiert, wenn Ausländer dort mautfrei blieben, die Inländer aber die Jahresvignette kaufen müssten“. Oder (wenn im Grenzgebiet auch die Inländer mautfrei wären) es gäbe „eine Diskriminierung der Deutschen im Hinterland. Denn diese wären vignettenpflichtig, die Deutschen in den Grenzregionen aber nicht“.

Die dritte SPD-Gruppe bilden jene, die Ausnahmen weder fordern noch ablehnen, sondern Dobrindt den Schwarzen Peter zuschieben. So macht es Nordrhein-Westfalens Verkehrsminister Michael Groschek: „Wir werden keine Änderungsanträge formulieren, wie ein nicht tauglicher Versuch noch etwas tauglicher werden kann“, sagte sein Sprecher. Diese Gruppe, der auch Niedersachsens Verkehrsminister Olaf Lies zuzurechnen ist, überlässt Dobrindt die Wahl, wo er Probleme bekommen will.

Wählt Dobrindt die Variante ohne Ausnahmen – hierzu zeigte er sich entschlossen – verliert er im Bundesrat die Unterstützung jener Länder, die Ausnahmen wollen. Würde sich der Minister wider Erwarten doch zu Ausnahmen entschließen, kämen Einsprüche jener SPD-Bundespolitiker, die Ausnahmen für diskriminierend halten. Der Gelackmeierte wäre stets Dobrindt, der Gewinner stets die Sozialdemokraten.

Wie viel Spaß der SPD das macht, ließ ihr Bundesvize Ralf Stegner durchblicken. „Herr Dobrindt ist ja ein ehrgeiziger Mann“, sagte Stegner mit Blick darauf, wie groß die Probleme sind, die Dobrindt bei der Maut lösen muss. Hierbei schauen ihm die Sozialdemokraten gern zu – und behalten sich vor, seine Pläne nach Fertigstellung eines Gesetzentwurfes ganz ohne vorherige Festlegung zu prüfen. Das ist der nächste Trumpf der SPD im Spiel mit der Maut: Die Sozialdemokraten sehen sich nicht mehr hundertprozentig an das Versprechen des Koalitionsvertrages gebunden, der CSU die Forderung nach einer Pkw-Maut zu erfüllen. Denn im Koalitionsvertrag ging es nur um Autobahnen, nun aber will der Bundesverkehrsminister eine Maut für alle Straßen. „Einen ganz neuen Ansatz“ nennt das SPD-Bundestagsfraktionschef Thomas Oppermann. Dieser aber sei neu zu diskutieren, meint Verkehrsexpertin Lühmann: „Viele Probleme bei den Plänen sind dadurch entstanden, weil Verkehrsminister Dobrindt über den Koalitionsvertrag hinausgegangen ist und – anders als dort festgelegt – nicht nur für Autobahnen die Maut einführen will, sondern für alle Straßen.“

Zwar sei „es nicht verboten, über den Koalitionsvertrag hinauszugehen“. Aber wenn das geschehe, dann „muss man darüber ganz neu reden“. Die SPD wartet ab, was Dobrindt macht. Eine sinnvolle Debatte in der Großen Koalition, findet Lühmann, könne es erst geben, „wenn Dobrindt einen fertigen Gesetzentwurf vorlegt“. Derzeit aber scheine es „schon innerhalb der CSU und allgemein der Union noch erheblichen Diskussionsbedarf“ zu geben. Lühmann mit warnendem Unterton: „Es würde nichts nutzen, nun per Schnellschuss einen Entwurf zu erarbeiten, den alle zerreißen. Das wäre auch für die Regierung nicht gut.“

Die SPD hat schon für den Fall, dass die Grenzfrage irgendwann geklärt würde, vorgesorgt. Die Sozialdemokraten haben ein weiteres Thema identifiziert, das bei der Maut Probleme für Dobrindt bereithält: die vom Minister geplante Mautbefreiung für alle Fahrzeuge in der Gewichtsklasse zwischen 3,5 und 7,49 Tonnen sowie für Fernbusse. Für beide Fahrzeugklassen soll auch in Zukunft nirgends eine Maut fällig werden. Das wird Debatten auslösen, prophezeit Lühmann: „Wenn Dobrindt tatsächlich alle Straßen bemauten will, dann wird man sofort darüber reden müssen, ob es vertretbar ist, damit nur Pkw-Halter zu belasten, nicht aber Fernbusunternehmer oder die Halter von Sprintern und Kleinlastern.“ Zwar wolle die SPD „die Belastung dieser Unternehmen und Handwerker vermeiden“. Aber nicht vermeiden könne man die Debatte über die Lücke, „wenn Dobrindt die Pkw-Nutzer auf allen Straßen mit einer Maut belasten will“.