Angela Merkels Halbjahresbilanz fällt ernst aus. Ihr Rezept für Israel und die Ukraine: reden, reden, reden

Berlin. Später. Der richtige Zeitpunkt ist später. Angela Merkel antwortet in zwei Schritten und lässt das Ende offen. Es gibt Gerüchte, sie trete in dieser Legislaturperiode als Kanzlerin zurück – im Zenit ihrer Karriere. So wie es der Kapitän der Fußball-Nationalmannschaft, Philipp Lahm, jetzt überraschend getan hat. Wann für sie dieser Zeitpunkt gekommen ist? „Ich bin gerne wieder angetreten (...) für die ganze Legislaturperiode“, sagt sie darauf am Freitag in Berlin vor den Hauptstadt-Journalisten. Und schiebt dann diesen Satz nach: „Alles Weitere später.“ Was das genau bedeutet? Sie sagt es nicht. Später eben.

Am Ende dieser Wahlperiode, also 2017, ist Merkel 63 Jahre alt. In ihrer Bilanzpressekonferenz gibt sie nicht preis, ob das für sie der richtige Zeitpunkt wäre abzutreten und wann sie das einleiten müsste. Sie kann das nicht machen, weil sie dann ab morgen eine Kanzlerin auf Abruf wäre und Deutschland nur noch schwer regierbar.

Merkels Gesicht erhellt sich in diesen zwei Stunden von Frage und Antwort nicht mehr. Keine Leichtigkeit und Heiterkeit wie sonst oft bei ihrer traditionellen Jahrespressekonferenz vor der Sommerpause nach erschöpfenden Monaten in der Politik. Es gibt nicht viel zu lachen, denn die Welt ist nicht in Ordnung.

Mit dem mutmaßlichen Abschuss einer Passagiermaschine über der Ukraine eskaliert die Krise mit Russland. Israel hat eine Bodenoffensive im Gazastreifen gestartet, und die deutschen Beziehungen zu den USA sind auf dem Tiefpunkt. Merkels oberstes Gebot: reden, reden, reden.

Die Ukrainer müssen mit den Russen sprechen und beide mit den Separatisten, um den Krieg in der Ostukraine zu beenden. Auch Merkel und Russlands Präsident Wladimir Putin müssen wieder einen besseren Draht zueinander finden. Israelis und Palästinenser müssen miteinander sprechen, um den Nahostkrieg nach vielen quälenden Jahren gegenseitiger Angriffe zu stoppen und eine Zweistaatenlösung zu ermöglichen. Und Berlin und Washington müssen reden, um das durch die US-Ausspähaffäre zerstörte Verhältnis wieder zu kitten.

Doch nichts von alledem verspricht derzeit Erfolg. Es fehlt der ruhige Anker in der Welt, eine Ordnungsmacht, die genügend Respekt und Einfluss hat. Einige Fragen lässt Merkel bewusst unbeantwortet. Sie beschreibt nicht die Bedrohung des Friedens in Europa durch die Ukraine-Krise. Sie will keine Unruhe, spricht nur defensiv davon, dass es keine Deeskalation gebe.

Sie sagt auch nicht, ob US-Präsident Barack Obama im Bilde war, dass US-Spione die deutsche Politik ausforschen. Sie sagt nur, dass er das bei ihrem Telefonat am Dienstag gewusst habe. Das hört sich angesichts wochenlanger Berichterstattung beinahe zynisch an.

Und dann wird ihr erneut eine Frage wie vor einem Jahr gestellt: Profitiert sie nicht von den Enthüllungen des ehemaligen US-Geheimdienstmitarbeiters Edward Snowden? Kühl sagt sie: „Wir haben Dinge erfahren, die wir vorher noch nicht wussten. Das ist immer interessant.“ Asyl bekomme Snowden deswegen trotzdem nicht in Deutschland. „Voraussetzung für Asyl ist nicht, ob man was Neues erfährt oder nicht. Asyl ist kein Akt von Dankbarkeit.“

Wie frustrierend das für sie sei, amerikanischer Spionage und Ausforscherei im Grunde machtlos gegenüberzustehen, wird sie noch gefragt. Frustration sei kein Zustand, in dem sich eine Kanzlerin befinden solle, lautet ihre Antwort. Es sei eben ein langer Atem nötig. Ein wenig desillusioniert hört es sich aber schon an. Dennoch beschwört sie bündnistreu den Zusammenhalt Deutschlands und auch der EU mit den USA gerade mit Blick auf das Drama in der Ukraine.

Und dann ist da noch die Innenpolitik. Der Koalitionspartner SPD konnte in den ersten Monaten mit eigenen Projekten punkten, vor allem mit Mindestlohn und Rente ab 63. Der Wirtschaftsflügel der CDU ist entsetzt. Merkel nimmt es hin. In einer großen Koalition bestehe die Gefahr, dass sich der Wirtschaftsflügel benachteiligt fühle – im Bündnis mit der FDP habe sich der soziale Flügel so gefühlt. Als anstehende Vorhaben nannte sie unter anderem Energiethemen, den Ausbau des schnellen Internets und die Pkw-Maut.

Kritik, sie zögere oft mit Entscheidungen, und ihre Handschrift sei nicht recht erkennbar in den ersten schwarz-roten Monaten, lässt sie abtropfen: „Irgendwie war ich beschäftigt“ und „Ich handele und erfülle meine Aufgabe“.