Mutmaßliche NSU-Terroristin plant Misstrauensantrag gegen ihre Verteidiger

München. Die Hauptangeklagte im NSU-Prozess, Beate Zschäpe, hat vom Gericht einen Aufschub bekommen, um ihren Misstrauensantrag gegen ihre Verteidiger vorzulegen. Der Strafsenat habe Zschäpe für die schriftliche Begründung ihres Anliegens eine Fristverlängerung bis einschließlich Freitag gewährt, teilte das Oberlandesgericht München am Donnerstag mit. Ursprünglich hatte Zschäpe das Papier bis Donnerstagmittag einreichen sollen. Die 39-Jährige hatte am Mittwoch vor dem Münchner Oberlandesgericht erklärt, sie habe kein Vertrauen mehr zu ihren Verteidigern. Die wichtigsten Fragen und Antworten zum Misstrauensantrag.

Warum hat Beate Zschäpe das Vertrauen zu ihren Anwälten verloren?

Gemutmaßt wird, dass sie der Schweigestrategie ihrer Anwälte zumindest nicht mehr so konsequent folgen will wie bisher. Sie hat an allen bislang 128 Verhandlungstagen keine einzige Frage beantwortet und keine Aussage gemacht. Es soll aber Themen geben, zu denen sie reden möchte.

Gab es schon früher Hinweise, dass sie ihren Anwälten misstraut?

Ja. Vor einem Jahr haben Ermittler des Bundeskriminalamts im Prozess als Zeugen ausgesagt. Sie hatten Zschäpe auf Transporten begleitet, wenige Monate nachdem sie sich im November 2011 gestellt hatte. Unterwegs habe sich Zschäpe auf Gespräche eingelassen, und zwar auch über ihre Anwälte. „Das Vertrauensverhältnis hat zu dem Zeitpunkt nicht bestanden, das hat sie uns klargemacht“, sagte der Ermittler vor Gericht. „Und wir haben wohl auch gesagt, es gibt Anwälte, die sagen den Mandanten, sie sollen aussagen.“

Warum kann Zschäpe sich nicht einfach von ihren Anwälten trennen?

Weil es vom Gericht bestellte Pflichtverteidiger sind, die auch nur von den Richtern entpflichtet werden können. Das werden sie aber nur dann tun, wenn sie von den Gründen überzeugt sind, die Zschäpe nennt.

Wie geht es dann weiter?

Das Gericht schickt Zschäpes Erklärung ihren drei Anwälten, die dann ihrerseits darlegen müssen, ob sie Zschäpe noch verteidigen können oder wollen.

Wie könnte die Entscheidung aussehen?

Denkbar ist, dass das Gericht die Anwälte in ihrer Funktion belässt und Zschäpe mit ihnen vorliebnehmen muss. Möglich ist aber auch, dass die Richter alle drei oder auch nur einen oder zwei von ihnen entlassen.

Gab es das schon, dass Pflichtverteidiger im Amt gelassen wurden?

Ja, beim ersten Prozess gegen die Terroristen der Roten Armee Fraktion (RAF) 1975. Da hatte das Gericht den Wahlverteidigern zusätzliche Pflichtverteidiger beigestellt und es dabei auch nach heftigen Tumulten belassen. Die Angeklagten Andreas Baader und Gudrun Ensslin riefen ihrem Pflichtverteidiger „Halt’s Maul“ zu, wenn er etwas sagen wollte.

Wie geht es jetzt weiter?

Wenn das Gericht neue Verteidiger bestellt, könnte der Prozess im schlimmsten Fall platzen und müsste von vorn begonnen werden. Denn neue Verteidiger müssten sich in die rund 380.000 Seiten Akte einarbeiten – und müssten das in nur 30 Tagen schaffen, denn länger darf ein Strafprozess nicht unterbrochen werden. Außerdem hätten sie keinen der bisherigen Zeugen gehört oder befragen können.

Und wenn das Gericht die Verteidiger im Amt belässt?

Dann wäre auch das riskant. Nach Ansicht von Juristen könnten Revisionsgründe entstehen, mit denen das Urteil später aufgehoben werden könnte. Auch dann müsste von vorn verhandelt werden.