Amerikakritisches Weltbild und gestiegene Kosten lassen Interesse schwinden

Berlin. Lange Jahre galten den Deutschen die Universitäten in den USA als akademische Traumziele, in denen es viel zu lernen gab – nicht nur für die Schule, sondern eben auch für das Leben. Doch nun scheint vielen deutschen Studenten die Lust am Amerika-Studium vergangen zu sein. Das zeigt die Studie „Wissenschaft weltoffen 2014“, die Bundesbildungsministerin Johanna Wanka (CDU) am Dienstag gemeinsam mit der DAAD-Präsidentin Margret Wintermantel in Berlin vorstellte. Zwar sind die deutschen Studierenden überdurchschnittlich mobil, und die USA liegen immer noch auf Platz zwei auf der Liste der beliebtesten Gastländer. Doch zeigt der Report deutlich, dass immer weniger deutsche Studenten einen Abschluss in den USA machen wollen. Demnach strebten im Studienjahr 2001 noch mehr als 9000 Deutsche einen Bachelor, Master oder Doktortitel an einer US-amerikanischen Hochschule an. Im Jahr 2013 waren es nur noch knapp unter 6000.

Das widerspricht dem allgemeinen Trend. Denn immer mehr Studierende zieht es ins Ausland – nur eben nicht mehr in die USA. Die Gründe für diesen Bedeutungsverlust liefern die Autoren der Untersuchung gleich mit: Zum einen hätten besonders die deutschen Nachbarländer mit neuen Studienangeboten an Attraktivität gewonnen. Zum anderen stellen die gestiegenen Studien- und Lebenshaltungskosten eine Hürde dar. Ganz erklärt das den Schwund deutscher Studenten an US-Unis jedoch nicht. Denn immer mehr Studenten aus Indien und China schreiben sich an US-Universitäten ein – und damit aus Ländern mit einem deutlich niedrigeren Pro-Kopf-Einkommen als Deutschland. Das belegt zumindest, dass der Kostenfaktor nicht als alleiniger Grund gegen ein US-Studium infrage kommt. Vielmehr ermittelten die Autoren der Studie eine „verstärkte Skepsis in Bezug auf das politische System und die Lebensverhältnisse in den USA“. Wesentlicher Grund für den Studentenschwund ist also ein amerikakritisches Weltbild.

Und das, obwohl die deutschen Studierenden in den USA äußerst gute Erfahrungen machen. Besonders das Gefühl der Integration und den Lerneffekt für die spätere Berufstätigkeit bewerten sie positiver als Gaststudenten in anderen Ländern. Fast zwei Drittel geben an, viel stärker von der amerikanischen Mentalität angetan zu sein, als das vor ihrem Studium in den USA der Fall gewesen sei. Trotz dieser positiven Erfahrungen wirkt ein Studium in den USA auf deutsche Studenten ernüchternd: Nur 17 Prozent sehen die Lebensverhältnisse in den USA positiver als vor ihrem Aufenthalt, 47 Prozent dagegen negativer. Umgekehrt kehren die deutschen Studenten mit einem positiveren Blick auf ihr eigenes Land zurück. Die Lebensverhältnisse in Deutschland und auch das Hochschulsystem bewerten die Studenten nach ihrer Rückkehr deutlich positiver als noch vor ihrem Aufenthalt.

Umgekehrt wird für ausländische Studierende Deutschland immer attraktiver: Nach den USA und Großbritannien liegt die Bundesrepublik auf Rang drei der beliebtesten Gastländer. Der Studie zufolge lag die Zahl aller ausländischen Studierenden im Wintersemester 2013/14 erstmals über der Marke von 300.000. „Damit kommt etwa jeder zehnte Student in Deutschland aus dem Ausland“, sagte Wanka sichtlich erfreut. Denn damit ist das Ziel der Koalitionsvereinbarungen von 350.000 ausländischen Studierenden an deutschen Hochschulen beinahe erreicht, und das lange vor der gesetzten Frist.

Die meisten ausländischen Studierenden kommen aus China, gefolgt von Russland und Österreich. Die stärksten Zunahmen gab es seit 2012 bei Studenten aus Bangladesch, Indien und Brasilien. In der Beliebtheitsskala der Bundesländer rangiert Berlin ganz oben mit 16,4 Prozent ausländischen Studenten gefolgt vom Saarland (14,5) und Bremen und Hessen mit 14,2 und 13,4 Prozent. Die wenigsten ausländischen Studenten gibt es mit knapp sechs Prozent in Mecklenburg-Vorpommern. Überproportional viele Ausländer studierten in Deutschland Ingenieursdisziplinen.

Einen Studienplatz an einen Ausländer zu geben bedeutet immer auch die Chance auf eine langfristige Bindung an Deutschland. So bleibt jeder zweite ausländische Absolvent einer deutschen Hochschule zunächst in der Bundesrepublik, eine Zahl, die deutlich höher ist als bisher angenommen. Das ist durchaus als Qualitätsmerkmal zu verstehen. „Die internationale Attraktivität eines Hochschul- und Forschungsstandorts misst sich daran, wie viele ausländische Studierende von einem Land angezogen werden“, sagte DAAD-Präsidentin Margret Wintermantel. Die Tatsache, dass auch so viele von ihnen bleiben, zeige, dass Deutschland für Talente aus aller Welt ein Anziehungspunkt sei. „Wir tun alles, um junge Menschen auf dem höchsten Niveau auszubilden. Wenn sie nach ihrem Studium bleiben wollen, begrüßen wir das sehr.“