Bundesministerin Hendricks sieht eine Wohnungsnot in größeren Städten. Nun soll das Problem steigender Mieten und Kaufpreise entschärft werden.

Berlin. Die Kaufinteressenten spazieren durch die Wohnung, da müsste was am Balkon gemacht werden, da im Bad. Die Mieterin kann nur tatenlos zusehen. Das Haus im Berliner Szenestadtteil Neukölln wird verkauft. Zum Glück hat das Land Berlin letztes Jahr verfügt, dass bei einer Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen Mieter noch mindestens zehn Jahre dort wohnen dürfen. Oft werden daher mehrere Zehntausend Euro geboten, wenn man sofort auszieht. Aber eine neue Wohnung kann dann gleich ein paar Hundert Euro mehr an Miete kosten.

Die Politik kann kaum noch Schritt halten mit den Umwälzungen. In Metropolen wie Berlin oder Hamburg mischen zunehmend auch ausländische Investoren mit. Und die Niedrigzins-Phase verstärkt den Wunsch nach „Betongold“. Viele Bürger überlegen zu kaufen statt weiter zu mieten – aber durch die Fesseln der Schuldenbremse satteln Länder wie Berlin bei der Grunderwerbssteuer drauf. Dort stieg sie von fünf auf sechs Prozent, was bei einem Kauf mehrere Zehntausend Euro ausmachen kann. Das Land nimmt so 100 Millionen Euro im Jahr ein.

Und so gibt es einen Mangel an preiswerten Miet- wie Kaufwohnungen, in 25 der 30 größten Städte wächst laut Städtetag die Bevölkerung. Bundesbauministerin Barbara Hendricks (SPD) will daher mit einem Bündnis für bezahlbares Wohnen und Bauen gegensteuern. Am Donnerstag wurden alle wichtigen Akteure von der Immobilienwirtschaft über den Bund Deutscher Architekten bis zum Mieterbund an einem Tisch in Hendricks Ministerium versammelt. Das Motto: Bauen, bauen, bauen.

Zwar räumt Hendricks ein: „Bauen tun wir selber nicht. Wir können nur die Voraussetzungen schaffen.“ Die bisher öffentlich nicht sonderlich bekannte Ministerin nimmt sich aber eines Problems an, das viele betrifft. An die Kommunen ergeht der Appell, mehr Bauland zur Verfügung zu stellen und Brachland zu erschließen. „Wir brauchen mehr Wohnraum, der bezahlbar ist“, sagt Hendricks. Der Baubereich wurde nach der Abwanderung der Ökoenergieabteilung ihrem Ministerium zugeschlagen, rund 190 Mitarbeiter tüfteln hier nun an Lösungen.

Der Vizevorsitzende des Rechtsausschusses, Jan-Marco Luczak (CDU), sieht auch den Bund als Immobilienbesitzer in der Pflicht: Er fordert zur Besserung der Lage in einem Schreiben an Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU), „dass die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben ihre Wohnungen nicht ausschließlich zu Höchstpreisen verkauft“.

Während gerade im Osten ganze Regionen unter dem Wegzug junger Menschen leiden, mangelt es in großen Städten an Wohnraum – auch weil Singles in größeren Wohnungen wohnen wollen. Um 700.000 Einwohner unterzubringen, müssten heute in Frankfurt 380.000 Wohnungen angeboten werden, vor 50 Jahren hätten bei gleicher Einwohnerzahl 240.000 Wohnungen ausgereicht, heißt es in einer Studie des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung. In den sieben größten Städten stieg die Bevölkerungszahl seit 2007 um 330.000, die Zahl der Haushalte um rund 180.000. Da aber nur 90.000 Wohnungen entstanden, steigen die Mieten wegen zu geringen Angebots.

Drei Beispiele: In Berlin waren 2008 noch 5,59 Euro je Quadratmeter zu zahlen, 2013 waren es schon 7,57, wobei Szeneviertel wie Kreuzberg bei begehrten Immobilien schon auf über elf Euro kommen. In München kletterte die Miete von 11,05 (2008) auf 13,24 Euro je Quadratmeter (2013). Und in Hamburg legte sie von 7,97 auf 10,11 Euro zu.

Ein Schritt zur Milderung der Lage soll hier die „Mietpreisbremse“ sein: Geplant ist, dass von 2015 an in Ballungszentren Vermieter von neuen Mietern nur noch eine Miete verlangen dürfen, die maximal zehn Prozent über dem ortsüblichen Niveau liegt. In welchen Regionen die Regelung greift, sollen die Länder festlegen können. Der Makler soll von dem bezahlt werden, der ihn bestellt. Bundesjustizminister Heiko Maas weist den Vorwurf zurück, die Preisbremse bremse auch den Wohnungsneubau: „Sie wird ausdrücklich nicht für Neubauten gelten.“

Ein Beispiel: Eine Wohnung kostete bisher 7,00 Euro pro Quadratmeter. Inzwischen sind aber bei Wiedervermietungen ähnlicher Wohnungen bis zu 11 Euro zu erzielen. Laut Mietspiegel liegt die ortsübliche Vergleichsmiete jedoch bei 7,50 Euro. Bei geltender Mietpreisbremse dürfte der Vermieter die Miete also maximal auf 8,25 Euro anheben.

Der auf 1,6 Millionen gesunkene Bestand an Sozialwohnungen verschärft die Lage im günstigen Segment. Der Mieterbund hält 250.000 neue Sozialwohnungen bis Ende 2017 für notwendig. Der Bund unterstützt die Länder mit 518,2 Millionen Euro im Jahr hierbei und setzt auf eine deutliche Steigerung. Wenn es darum geht, im unteren und mittleren Segment Abhilfe zu schaffen, wird der Politik aber oft misstraut. Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) musste gerade erst eine herbe Schlappe hinnehmen. Das frühere Flughafengelände in Tempelhof darf nicht einmal teilweise bebaut werden. Viele Bürger befürchteten, dass dort nur teure Luxuswohnungen entstehen würden.