NSA-Affäre heizt Debatte um Gegenspionage an. Politiker von Koalition und Opposition fordern Spitzentreffen von Merkel und Obama

Berlin. Der US-Geheimdienstenthüller Edward Snowden hat auch eine Vernehmung per Video durch den NSA-Untersuchungsausschuss des Bundestags abgelehnt. Ein entsprechendes Schreiben seines Anwalts Wolfgang Kaleck ging am Dienstag beim Ausschuss ein, wie der Ausschussvorsitzende Patrick Sensburg (CDU) dem ARD-Hauptstadtstudio mitteilte.

Zuvor hatte Snowden bereits eine informelle Reise des Ausschusses zu ihm an seinen Asylort Moskau abgelehnt und auf einer Befragung in Deutschland beharrt. Auch die Oppositionsparteien Grüne und Linke forderten, Snowden nach Deutschland zu holen. Die Bundesregierung ist allerdings gegen eine Vernehmung des Amerikaners auf deutschem Boden. Die USA suchen den einstigen Mitarbeiter ihres Geheimdiensts NSA mit Haftbefehl.

Die Affäre um einen mutmaßlichen US-Agenten beim Bundesnachrichtendienst (BND) hat in Berlin eine Debatte über den künftigen Umgang mit den USA angestoßen. Politiker aus Koalition und Opposition forderten ein Spitzentreffen von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) mit US-Präsident Barack Obama. Auch eine Aufstockung der Mittel für die deutsche Spionageabwehr und eine Ausweitung der deutschen Gegenspionage auf befreundete Länder wie die USA stehen in der Diskussion.

Konsequenzen für die Verhandlungen über das transatlantische Freihandelsabkommen (TTIP) forderte der Vorsitzende des Bundestagsinnenausschusses, Wolfgang Bosbach (CDU). „Ich bin nicht dafür, dass wir die Verhandlungen aussetzen, aber wir brauchen ein dickes Kapitel Datenschutz und Datensicherheit“, sagte Bosbach im Sender WDR5.

Der CDU-Obmann im NSA-Untersuchungsausschuss, Roderich Kiesewetter, forderte mehr Geld für die deutsche Spionageabwehr. Deutschland habe „an der falschen Stelle gespart“, sagte er zu „Zeit Online“. „Unser Dienst verfügt über ein 120stel der Mittel der NSA.“ Kiesewetter verlangte eine „erhebliche Aufstockung“ des Budgets für den BND. Die SPD-Vizefraktionschefin Eva Högl forderte eine Reaktion auf die jüngsten Enthüllungen. „Wir müssen raus aus dem Stadium der Aufklärung und Empörung“, sagte sie der „Hannoverschen Allgemeinen Zeitung“. Sie halte es für „vollkommen richtig“, dass deutsche Nachrichtendienste künftig in alle Richtungen arbeiteten. Entsprechende Überlegungen soll Berichten zufolge auch Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) anstellen.

Auch der frühere Regierungskoordinator für die deutsch-amerikanischen Beziehungen, Karsten Voigt (SPD), sprach sich für ein solches Vorgehen aus. „Spionageabwehr braucht man in alle Richtungen“, sagte er im Deutschlandfunk. Es habe in der Vergangenheit amerikanische Spionage in Deutschland gegeben, „es wird auch in Zukunft so etwas geben“. Doch nicht alle folgen der Ansicht, es müsse mit gleichen Mitteln geantwortet werden: „Die Antwort auf Spionage ist nicht Gegenspionage“, sagte Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt der „Passauer Neuen Presse“. Stattdessen müsse die Bundesregierung ein entschiedeneres Auftreten gegenüber der US-Regierung an den Tag legen. Am Freitag war bekannt geworden, dass ein BND-Mitarbeiter im Verdacht steht, für die USA den NSA-Untersuchungsausschuss ausspioniert zu haben. Die Spähaffäre belastet die Beziehungen zwischen Berlin und Washington seit mehr als einem Jahr.

Im März hatte der NSA-Ausschuss des Bundestages seine Arbeit aufgenommen. Er soll nicht nur die Rolle der NSA, sondern auch die des BND klären. Nach tagelangem Schweigen haben die USA Kooperationsbereitschaft bei der Aufklärung der Affäre signalisiert. „Wir arbeiten mit der deutschen Regierung zusammen, um sicherzustellen, dass die Frage angemessen gelöst wird“, erklärte die US-Botschaft zu Wochenbeginn. Zur Sache selbst wollte sie sich nicht äußern.