Mit Erinnerungen an die DDR findet die Kanzlerin einen Zugang zu den Studierenden

Peking. Wie zu einer Umarmung streckt Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) ihre Arme aus. „Sie werden mit Ihren Gedanken, mit Ihrer gesamten Einstellung das gesamte Land prägen“, sagt sie zu den Studierenden an der Tsinghua-Universität. „Jeder Fortschritt lebt ja immer davon, dass man kritisch Fragen stellt.“ Merkel plädiert für Nachhaltigkeit, in der Leistungsfähigkeit, Umweltschutz und soziale Verantwortung gleichberechtigt gefördert werden. Gespannt lauschen die angehenden Führungskräfte an der chinesischen Eliteuniversität den Worten der deutschen Politikerin.

Ein Student möchte wissen, wie sie als Physikerin in der Politik gelandet sei. Merkel erzählt von der DDR. „Dort habe ich Physik studiert, weil die politischen Umstände mir nicht so erschienen, dass ich mich in der Politik dort engagieren wollte“, sagt sie und trifft damit die Gedanken vieler junger Menschen in China. Das rasante Wirtschaftswachstum bietet gerade gut ausgebildeten Chinesen die Chance, schnell reich zu werden. Die Politik steht für viele hingegen für Korruption und festgefahrene Strukturen im Einparteiensystem in China.

Der Elektrotechnikstudent Zhang Cong flüstert: „Wir brauchen mehr solche offenen Diskussionen.“ Schließlich gebe Merkel nicht nur gute Ratschläge, sondern spreche auch offen Probleme in ihrem Land an. So räumt die Kanzlerin in ihrer Rede ein, dass noch mehr für einen gleichberechtigten Zugang aller Deutschen zu höherer Bildung getan werden müsste. Und das wegen der Gefahr von Anschlägen Polizisten an allen jüdischen Einrichtungen in Deutschland stehen müssten. „Das ist sehr beschämend, wenn man überlegt, welche Geschichte wir hatten.“

Merkel preist deutsche Umwelttechnik. In Bereichen wie Energieeffizienz, Recycling oder nachhaltiger Landwirtschaft wollten deutsche Firmen ihr Engagement in China ausbauen. „Deutsche Unternehmen empfehlen sich als kompetente Partner“, sagt Merkel. Der Zeitpunkt für ihr Werben ist gut gewählt. Chinas Führung hat drastische Maßnahmen für Umweltschutz angekündigt. Denn im Wochenrhythmus werden neue Daten bekannt, die belegen: Viele von Chinas Seen sind verschmutzt, das Agrarland großflächig verseucht und die Luft in den Großstädten oft gesundheitsgefährdend. Vor etwa zwei Wochen hat Chinas Oberster Gerichtshof erstmals ein Umwelttribunal eingerichtet, dass den Umgang mit Umweltsündern vor Gerichten im ganzen Land umkrempeln soll.