Berlin. Die mutmaßliche US-Spionage beim Bundesnachrichtendienst sorgt in der deutschen Regierung für Verärgerung. Innenminister Thomas de Maizière (CDU) verlangte von den USA „schnelle und eindeutige Äußerungen“ zu den schwerwiegenden Vorwürfen. Mit scharfen Worten äußerte sich auch Bundespräsident Joachim Gauck. Träfen die Vorwürfe zu, „dann ist ja wohl wirklich zu sagen: Jetzt reicht’s aber auch mal“, sagte er in einem ZDF-Interview. Die USA setzten die Freundschaft zu Deutschland aufs Spiel. In Sicherheitskreisen hieß es, der BND-Mitarbeiter sei als Sekretär beschäftigt gewesen und habe beschränkten Zugriff auf heikle Unterlagen gehabt. Vermutlich habe er für die CIA gearbeitet. Bei ihm sei ein USB-Stick mit 218 Dokumenten sichergestellt worden, die er nach eigenen Angaben seit Ende 2012 für 25.000 Euro an einen US-Dienst weitergegeben habe.

Der verdächtige BND-Mitarbeiter sitzt in Untersuchungshaft. Die Bundesanwaltschaft ermittelt gegen den 31-Jährigen wegen des Verdachts auf Agententätigkeit für einen ausländischen Geheimdienst. Der Verdächtige habe sich nach eigenen Worten dreimal in Österreich mit Vertretern eines US-Geheimdienstes getroffen, hieß es. Unter den von ihm angeblich weitergegebenen Dokumenten seien auch zwei, die der BND dem NSA-Untersuchungsausschuss zur Verfügung gestellt habe. Aufgeflogen sei der Mitarbeiter, als er versucht habe, auch an die Russen BND-Material zu verkaufen. Vermeiden ließen sich solche Fälle allerdings kaum. „Den klassischen Selbstanbieter können Sie in keinem Dienst der Welt verhindern“, sagte ein Vertreter aus Sicherheitskreisen. Es sei aber absolut unüblich, einen Informanten bei einem befreundeten Geheimdienst zu unterhalten: „Das ist ein unfreundlicher Akt, das gehört sich nicht.“

Vor einem Jahr war bekannt geworden, dass der für die technische Aufklärung zuständige US-Dienst NSA das Handy von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) abhörte. Der Fall wurde zur Belastungsprobe für die deutsch-amerikanischen Beziehungen. Die Ermittlungen des Generalbundesanwalts dazu laufen noch. Ein Untersuchungsausschuss des Bundestages befasst sich zudem mit dem Vorwurf, die NSA habe massenhaft die Kommunikation deutscher Bürger im Internet ausgespäht. Die SPD-Fraktion beantragte wegen des neuen Spionagefalls eine Sondersitzung des Parlamentarischen Kontrollgremiums. Die Spionageabwehr von Bundesnachrichtendienst, Verfassungsschutz und Bundeskriminalamt müsse effektiv in alle Richtungen verbessert und verstärkt werden, sagte die SPD-Innenexpertin Eva Högl dem „Tagesspiegel am Sonntag“.