Nikolaus Schneider tritt in Sorge um seine Frau zurück. Evangelische Kirche vor Generationswechsel

Hannover. Die Ankündigung des Rücktritts kam völlig überraschend, und die Diskussion darüber, wer die Protestanten 2017 ins Reformationsjubiläum führt, dürfte sich nun beschleunigen: Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Nikolaus Schneider, gibt im November sein Amt auf, ein Jahr früher als geplant. Noch am Mittwoch vergangener Woche hatte Schneider, der höchste Repräsentant der mehr als 23 Millionen deutschen Protestanten, beim EKD-Jahresempfang in Berlin gesprochen. Doch weil bei seiner Frau Anne eine Krebserkrankung diagnostiziert wurde, will der 66-Jährige noch in diesem Jahr aus dem Rat der EKD ausscheiden.

Nikolaus Schneider legt ein Amt nieder, das er nie angestrebt hatte. Aber als seine Vorgängerin Margot Käßmann in Folge einer Alkoholfahrt überraschend vom Ratsvorsitz zurücktrat, war Schneider ihr Vertreter. Ab Februar 2010 zunächst kommissarisch und vom November darauf auch gewählt, folgte er in das hohe EKD-Amt. Das hatte bis Ende 2009 der Berliner Bischof Wolfgang Huber maßgeblich geprägt. Dem leitungs- und kompromisserfahrenen rheinischen Präses Schneider traute die Synode zu, das ambitionierte Programm der Huber-Ära in eine praktikable Zukunft zu führen.

Aufgewachsen in einer kirchenfernen Arbeiterfamilie in Duisburg, hatte Schneider den Weg zum Theologen eingeschlagen und im Studium seine ein Jahr jüngere Frau Anne kennengelernt. Sie ist zugleich seine engste Beraterin. In 44 Ehejahren sind die Schneiders in allen Höhen und Tiefen verbunden. 2005 starb ihre jüngste Tochter Meike an Leukämie. Das Ehepaar ging damit offen um und verarbeitete das Trauma in einem Buch. Weitere gemeinsame Bücher folgten.

Ein offenes Pfarrhaus pflegte das Paar schon in der Kirchengemeinde in Duisburg-Rheinhausen, als Schneider sich in der Zeit der Hüttenschließungen an die Seite der Arbeiter stellte. Anschließend war er Diakoniepfarrer in Moers. Sozialer Fortschritt ist für ihn stets eine Herzenssache geblieben, die klare Sprache des Ruhrgebiets sein Markenzeichen. Allerdings unterschätzte Schneider im vergangenen Jahr die Reaktionen auf das umstrittene Familienpapier der EKD, in dem sie sich unter anderem für mehr Anerkennung von Patchworkfamilien und gleichgeschlechtlichen Partnerschaften starkmacht. Die Kritiker, denen das Leitbild der Ehe deutlich zu kurz kam, meldeten sich aus allen Lagern der EKD zu Wort.

Auch die Frage der inner-evangelischen Konfessionen wird bei der Nachfolge eine Rolle spielen. Denn abgesehen vom viermonatigen Käßmann-Intermezzo kamen alle fünf Ratsvorsitzenden seit 1985 aus unierten Kirchen – ein Lutheraner wäre überfällig. Schneiders Stellvertreter Jochen Bohl, 64, ist Bischof im lutherischen Sachsen. Ihm die Leitung für das verbleibende Jahr der 2015 endenden sechsjährigen Wahlperiode zu übertragen wäre die naheliegende Lösung. Möglich ist aber auch, dass die Synode im Herbst einen Generationenwechsel einläutet. Bayerns Bischof Heinrich Bedford-Strohm, 54, werden gute Chancen eingeräumt, nächster Vorsitzender zu werden. Als mögliche weitere Kandidaten werden auch Hannovers Bischof Ralf Meister, 52, genannt und der Kirchenpräsident von Hessen-Nassau, Volker Jung, 54. Beide müssten jedoch zunächst in den Rat gewählt werden.