Der CSU-Chef besucht heute den Papst im Vatikan. Daheim in München wird die Reihe seiner Kritiker immer länger

München/Rom. Horst Seehofer reist nicht gern. Zumindest reist er nicht gern weit. Da trifft es sich gut, dass die Strecke München–Rom mit dem Flugzeug in knapp über zwei Stunden zu bewältigen ist. Abheben, Häppchen essen, Druck ausgleichen – schon ist man da. Keinen ausländischen Boden hat Seehofer seit seinem Amtsantritt 2008 häufiger betreten. Der CSU-Chef reist schon zum sechsten Mal an den Tiber. Ziel ist wie immer der Vatikan, dort wird er am Montag Papst Franziskus treffen. Auch ein Gespräch mit Benedikt XVI. ist geplant.

Also alles wie immer, oder? Das kollektive CSU-Gedächtnis hat anlässlich dieser Reise aber ein Déjà-vu. Da tauchen Bilder von Seehofers Vorvorgänger Edmund Stoiber auf. Der hatte genau einen Tag nachdem er Anfang November 2005 in München angekündigt hatte, nicht als Superminister nach Berlin zu gehen, den Flieger nach Rom bestiegen. Diese Reise ist Legende. Mit dabei war fast die gesamte Landtagsfraktion. Journalisten erlebten in Rom einen geprügelten CSU-Chef. Im Flieger kam es zur Abrechnung. Es war der Anfang vom Ende der Ära Stoiber.

Besserung im Umgang miteinander erwarten derzeit viele von Seehofer. Die Reise nach Rom war zwar seit Wochen angefragt, die kurzfristige Zusage aus dem Vatikan lässt sie vor dem Hintergrund der empfindlichen CSU-Verluste bei der Europawahl aber wie einen Bußgang erscheinen. Heftigen Debatten geht Horst Seehofer aus dem Weg, indem er nur eine kleine Delegation mitnimmt, darunter Wirtschaftsministerin Ilse Aigner, Kultusminister Ludwig Spaenle und Landtagspräsidentin Barbara Stamm. Dass sich diese gegenseitig zur Chef-Kritik anstacheln oder einander anfeuern, ist unwahrscheinlich.

Das erledigen da schon die, die am Boden bleiben, aber um die Symbolkraft dieser Reise wissen. Kurz zuvor taten sich einige davon mit Äußerungen hervor, die sich in die immer länger werdende Reihe der von Seehofer politisch und persönlich Enttäuschten einreihen. Ex-Agrarminister Hans-Peter Friedrich kritisierte im „Spiegel“, dass die CSU den Abbau der Kalten Progression nicht ausreichend vorantreibe. Seit Friedrich sein Amt verloren hat, fühlt er sich von Seehofer im Stich gelassen, geopfert. Ähnlich verhält es sich mit Markus Ferber, der in den letzten Jahren Vorsitzender der Europagruppe war. Ferber wurde nun nach der Wahl durch Angelika Niebler ersetzt – und lastet das offenbar dem Parteichef an. Er hält ihm falsche Themensetzung vor: „Mütterrente oder Ausländermaut sind keine Kernanliegen Bayerns. Die CSU ist heute in Berlin ähnlich einflusslos wie 2008 unter Beckstein und Huber.“ Hier beginnt es für Seehofer wehzutun. Denn das Namenspaar „Beckstein und Huber“ steht für eine Zeit, in der die CSU in Bayern die absolute Mehrheit verloren hatte.

Seehofer mahnte denn auch zu Geschlossenheit „Die Leute erwarten von uns, dass wir jetzt nicht Selbstbeschäftigung betreiben“, antwortete er den Kritikern. Und er verteidigte die Rolle der CSU im Bund: „Ich bin mit der Stellung und dem Einfluss der CSU in Berlin hochzufrieden. Bei der Vorstandsklausur am nächsten Sonnabend werde die CSU ihr schlechtes Abschneiden bei der Europawahl analysieren und Schlussfolgerungen ziehen. Die Kritiker könnten ihre Vorwürfe dann erklären.

Seinen letzten Besuch in Rom absolvierte Horst Seehofer übrigens am 27. Februar 2013. Ein Ereignis, noch denkwürdiger als acht Jahre zuvor, als Edmund Stoiber nach Rom gereist war. Denn einen Rücktritt gab es im Februar 2013 schon am folgenden Tag. Damals war es der deutsche Papst, der abtrat.