Der frühere FDP-Chef und Außenminister ist an Blutkrebs erkrankt. Bestürzung in Berlin

Berlin. Im vergangenen halben Jahr, seitdem er sich aus dem Auswärtigen Amt verabschieden musste, hatte sich Guido Westerwelle in der Öffentlichkeit rar gemacht. Jetzt kommt heraus, dass er an Leukämie erkrankt ist. Die Sorgen sind groß. Der jüngste Eintrag auf seiner Facebook-Seite, der von Westerwelle selber kommt, stammt vom 12. Juni. „Der viel zu frühe Tod von Frank Schirrmacher macht mich traurig“, schrieb er darin über den Herausgeber der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“. „Mein Mitgefühl gilt seinen Angehörigen. Wir werden seine Geisteskraft und seine so klugen Beiträge vermissen.“ Jetzt ist es Westerwelle selbst, um den man sich Sorgen machen muss. Der ehemalige FDP-Chef, Außenminister und Vizekanzler ist mit 52 Jahren an akuter Leukämie erkrankt.

Westerwelle ließ seine Blutkrebs-Erkrankung am Freitag auf seiner Facebook-Seite bekannt geben. Dort heißt es: „Guido Westerwelle befindet sich bereits in medizinischer Behandlung mit dem Ziel einer vollständigen gesundheitlichen Genesung.“ Verbunden mit der Bitte, von allen Nachfragen abzusehen. Für die meisten, die in Berlin mit Politik zu tun haben, ist dies eine schlimme Überraschung. Wenn man Westerwelle im letzten halben Jahr überhaupt zu sehen bekam, wirkte er gesund und gut gelaunt. Ein bisschen schmaler vielleicht, aber mit frischer Gesichtsfarbe und seit einer Weile auch mit einem Fünf-Tage-Bart.

Die ersten Wochen nach dem Abschied hatte er auf Mallorca verbracht, wo er zusammen mit Ehemann Michael Mronz seit einigen Jahren ein Haus besitzt. Dann war er auf Vortragsreise in den USA, in Nigeria und tauchte vor der Europawahl auch beim FDP-Parteitag in Dresden auf. Reden wollte er dort nicht, was aber eher etwas mit dem Zustand seiner Partei zu tun hatte.

Und dann gab er vor Kurzem auch den ersten Empfang der neuen Stiftung, die seinen Namen trägt, der „Westerwelle Foundation“ am Kurfürstendamm. Das Geld dafür kommt vom Internet-Milliardär Ralph Dommermuth („United Internet“), einem seiner persönlichen Freunde. Zum Start gab Westerwelle zum ersten Mal wieder ein längeres Interview.

Auf die Frage, wie es ihm denn gehe, antwortete er vor zwei Wochen der „Welt“: „Vielen Dank, sehr gut. Anders als Journalisten meinen, nimmt die Lebensqualität mit weniger Presse nicht ab, sondern zu.“ Westerwelle, wie man ihn kennt. Die Antwort auf die Frage, wie er den Politik-Entzug verkraftet, fiel überraschender aus: „Ich bin weder in das berühmte schwarze Loch gefallen, noch musste ich für den Alltag resozialisiert werden.“ Keineswegs selbstverständlich für jemanden, der seit mehr als 30 Jahren zum Politikbetrieb der Bundesrepublik gehört.

Dann sprach er über die ersten Projekte seiner Stiftung – eine Filmhochschule in Ruanda, eine Kinderhilfsorganisation in Brasilien, ein Bildungsplan in Nigeria. Jetzt allerdings muss sich Westerwelle um sich selber kümmern. Aus allen politischen Lagern erhielt er am Freitag herzliche Genesungswünsche. Sein Vorgänger und Nachfolger Frank-Walter Steinmeier (SPD) erfuhr von der Erkrankung bei einem Besuch in Istanbul – und nahm die Nachricht mit „großer Bestürzung“ zur Kenntnis. „Ich wünsche ihm auch im Namen aller Mitarbeiter des Auswärtigen Amts von Herzen viel Kraft für den Kampf gegen die Krankheit und baldige vollständige Genesung.“