Gemeinden fordern angesichts der Klagewelle von Arbeitslosen unbürokratischere Bestimmungen. Arbeitsministerium plant Reform

Berlin. Angesichts zahlreicher Klagen vor den Sozialgerichten dringen Kommunen auf eine Vereinfachung der Hartz-IV-Bestimmungen. „Der Deutsche Städte- und Gemeindebund fordert den Gesetzgeber auf, die Hartz-IV-Regelungen deutlich zu vereinfachen und überflüssige Bürokratie abzuschaffen“, sagte Gerd Landsberg, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebunds. „Nach wie vor sind die Regelungen sowohl für die Betroffenen wie auch für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Jobcentern zu kompliziert und bürokratisch.“

Verletzen Empfänger der Grundsicherung bestimmte Pflichten gegenüber dem Jobcenter, können Arbeitsagenturen Sanktionen verhängen. Die deutschen Sozialgerichte verzeichnen allerdings seit Jahren eine Klageflut gegen Hartz-IV-Bescheide und gegen Sanktionsentscheidungen der Arbeitsagenturen.

Oft sind die Klagen erfolgreich: Mehr als ein Drittel aller Klagen und Widersprüche von Arbeitslosen gegen Sanktionen bei Hartz IV sind 2013 erfolgreich gewesen. Das hatte die „Welt“ unter Berufung auf erstmals erhobene Daten des Bundesarbeitsministeriums berichtet. Ähnlich hoch ist die Erfolgsquote von Klägern bei Klagen gegen Hartz-IV-Bescheide. Ende 2013 waren insgesamt rund 200.000 Klagen von Hilfsempfängern anhängig.

Zu bürokratische Regeln führten zu der Vielzahl von Widersprüchen und Rechtsstreitigkeiten, kritisiert nun Landsberg. Viele komplizierte Berechnungen der Einzelansprüche sollten durch die Möglichkeit der Pauschalierung vereinfacht werden, fordert er. Je einfacher das System gestaltet werde, umso mehr könnten sich die Jobcenter auf ihre eigentliche Aufgabe konzentrieren, „nämlich Menschen wieder in Arbeit zu bringen“, sagte Landsberg weiter.

Der Grundsatz „Fördern und Fordern“ hat sich laut dem Städte- und Gemeindebund dagegen bewährt. „Deshalb wäre es falsch, Sanktionsmöglichkeiten abzuschaffen.“

Heinrich Alt, Vorstandsmitglied der Bundesagentur für Arbeit, gestand in der „Passauer Neuen Presse“ ein, dass das Hartz-IV-Gesetz komplex und „kaum noch zu durchschauen“ sei. „Wenn ich etwas ändern oder mir etwas wünschen könnte, wäre es, der ursprünglichen Idee der Grundsicherung zu folgen und die vielen Einzelleistungen zu Pauschalen zusammenzuführen. Wir neigen in Deutschland dazu, jedem Einzelfall gerecht werden zu wollen, alles bis ins Detail zu regeln.“

Der Deutsche Richterbund (DRB) verlangte eine bessere personelle Ausstattung der Gerichte. „Die vorhandenen Richterinnen und Richter reichen bei Weitem nicht aus, um sämtliche Verfahren zügig zu bearbeiten“, sagte DRB-Präsidiumsmitglied Bernhard Joachim Scholz der „Neuen Osnabrücker Zeitung“. Vor allem an den Sozialgerichten fehle es an Richtern.

Arbeitsagenturen können gegen Hartz-IV-Bezieher Sanktionen verhängen, wenn sie etwa nicht zum vereinbarten Termin beim Jobcenter, bei einem ärztlichen Untersuchungstermin erscheinen oder eine „zumutbare“ Arbeit ablehnen. Dann kann ein Sachbearbeiter aus der Arbeitsagentur zehn Prozent vom Hartz-IV-Regelbedarf abziehen. Wenn Hartz-IV-Empfänger unter 25 Jahre alt sind, kann die Agentur im Wiederholungsfall die Kindergeldzahlung durch die Familienkasse einstellen.

Derzeit berät eine Arbeitsgruppe aus Bund und Ländern über Reformen der Hartz-IV-Sanktionen. So würde die Bundesagentur für Arbeit gerne schärfere Sanktionen aussprechen und bei wiederholtem Versäumen von Terminen Arbeitslosen sofort das Geld streichen. Laut „Bild“-Zeitung laufen die Verhandlungen darauf hinaus: Auf eine entsprechende Verschärfung der Sanktionen hätte sich die Arbeitsgruppe geeinigt. Außerdem solle Hartz IV künftig zwölf und nicht mehr wie bisher sechs Monate lang bewilligt werden, schreibt das Blatt ohne Nennung von Quellen.

Das Bundesarbeitsministerium hat einen Bericht zurückgewiesen. Eine Sanktion auch bei erstmaliger Pflichtverletzung ohne wichtigen Grund sei bereits geltendes Recht. Wer ohne wichtige Gründe gegen Pflichten und Auflagen verstößt, dessen Arbeitslosengeld II kann um 30 Prozent gekürzt werden. Eine Pflichtverletzung liegt dann vor, wenn beispielsweise ein Jobangebot abgelehnt oder eine Eingliederungsmaßnahme abgebrochen oder nicht angetreten wird.

„Die Rechtsvereinfachung hat das Ziel, weniger Bürokratie und mehr Zeit für die Betreuung der Hilfebedürftigen zu schaffen. Es ist explizit nicht Ziel der Änderungen, den Leistungsbezug restriktiver zu gestalten“, heißt es aus dem Haus von Arbeitsministerin Andrea Nahles (SPD). Festlegungen oder Beschlüsse aus der Arbeitsgruppe lägen noch nicht vor. Ergebnisse werden im Herbst erwartet. Die Bundesregierung werde dann entscheiden, welche Vorschläge in die Gesetzgebung einfließen.

Linke und Sozialverbände warnten vor weiteren Verschärfungen. Die Hartz-IV-Regelungen gehörten „grundsätzlich auf den Prüfstand“, erklärte der Sozialverband Deutschland. Linken-Parteichefin Katja Kipping forderte, die Hartz-IV-Sanktionen abzuschaffen.