In jedem vierten deutschen Unternehmen gab es in jüngerer Zeit einen größeren Betrugsfall. Kontrollen bringen auch mehr Fälle ans Licht

Berlin. Beim Thema Korruption denken viele Menschen an Länder wie China, Griechenland oder Russland. Doch auch in Deutschland ist Korruption durchaus verbreitet. In 26 Prozent aller deutschen Unternehmen gab es in den vergangenen zwei Jahren einen bedeutsamen Betrugsfall. Nur in den Korruptionshochburgen Ägypten, Nigeria, Namibia und Kenia waren es mehr. Dies geht aus einer Umfrage der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Ernst & Young (EY) unter 2700 Managern aus 59 Ländern hervor. Korruption bleibt laut der Umfrage weltweit ein großes Problem. Nach Meinung von 39 Prozent der Manager ist Bestechung in ihrem Land an der Tagesordnung. Jeder Vierte glaubt, dass Betrug in seinem Land weitverbreitet ist. Besonders in afrikanischen Ländern kommt Korruption häufig vor.

In Nigeria und Kenia halten rund 90 Prozent der Befragten Betrügereien für üblich, in Ägypten sind es sogar 100 Prozent. „In vielen Ländern ist die Zahlung von Schmiergeldern nach wie vor üblich. Die Manager in diesen Ländern stehen vor großen Herausforderungen“, sagt Stefan Heißner, Leiter der Fraud Investigation & Dispute Services bei EY. In Deutschland dagegen ist die Lage paradox: So glauben nur sechs Prozent der Manager, dass Betrügereien weitverbreitet sind. Gleichzeitig aber gibt es die hohe Zahl aufgedeckter Betrugsfälle. Wie passt das zusammen?

EY-Experte Heißner erklärt das so: Die hohe Zahl aufgedeckter Betrügereien sei nicht ein Zeichen gestiegener Wirtschaftskriminalität, sondern ein Indiz für die intensiven Anstrengungen deutscher Unternehmen, Korruption im eigenen Haus aufzuklären. „Das Bewusstsein für die Gefahren, die von Korruption für das eigene Unternehmen ausgehen, ist in den vergangenen Jahren deutlich gestiegen“, so Heißner. Besonders im vergangenen Jahrzehnt waren große Unternehmen wie Siemens, MAN oder auch Daimler in Korruptionsaffären verwickelt. Viele Unternehmen haben daraufhin und auf Druck von außen eine Reihe von internen Kontrollmechanismen eingeführt. So hat etwa Siemens nach seiner Korruptionsaffäre ausgeklügelte Systeme entwickelt, um Betrügern im eigenen Unternehmen auf die Spur zu kommen.

Das spiegelt sich auch in der Umfrage wider: 96 Prozent der befragten deutschen Manager gaben an, dass es in ihrem Unternehmen Antikorruptionsrichtlinien gibt. 76 Prozent haben Strafen für Verstöße gegen die Richtlinien festgelegt, 48 Prozent Sanktionen verhängt. International sind es aber nur 35 Prozent.

Allerdings reicht die schärfere Betrugsbekämpfung der Konzerne nicht als Erklärung dafür aus, dass es in Deutschland so viele aufgedeckte Fälle gibt. Denn das würde bedeuten, dass Unternehmen in Korruptionshochburgen wie Ägypten, Nigeria, Namibia und Kenia ebenfalls so stark Betrügereien bekämpfen würden. Das ist jedoch nicht der Fall. Wahrscheinlicher ist eine andere Erklärung: Weil es in den vergangenen Jahren weniger große Korruptionsfälle in Deutschland gegeben hat, ist die Stimmung unter deutschen Managern besser als die Realität.

Das zeigt sich auch in Zahlen: 20 Prozent der befragten deutschen Manager geben an, schon einmal gefragt worden zu sein, Verträge vor- oder nachzudatieren. Nur in Russland wurden Manager häufiger darum gebeten. „Karikative Spenden“ sollten 14 Prozent der deutschen Firmenleiter leisten.

Hier war nur die Quote in den Schwellenländern Indien und China höher. Immerhin: Schmiergeldzahlungen scheinen in deutschen Unternehmen wenig verbreitet zu sein. Nur von jedem 50. Manager ist verlangt worden, Geschäften mit Geld nachzuhelfen.

Heißner betont: „Nach unserer Erfahrung ist das Problem der Korruption aber auch in deutschen Unternehmen noch lange nicht vom Tisch.“ Gefährdet seien vor allem Unternehmen, die stark im Ausland engagiert sind. Denn gerade in vielen Schwellenländern ist die Zahlung von Schmiergeldern nach wie vor üblich. Und nicht wenige Manager in Deutschland halten es gerade in wirtschaftlich schwierigen Zeiten für notwendig, notfalls ein Auge zuzudrücken. So hält mehr als jeder vierte Manager das Angebot von Unterhaltungsdienstleistungen für gerechtfertigt, wenn so ein Auftrag gewonnen werden kann. Barzahlungen zum Ergattern von Aufträgen halten deutsche Manager dagegen nicht für vertretbar – im Gegensatz zu ihren griechischen Kollegen. Dort halten im Notfall 58 Prozent der Manager das Geschäftsmodell „Bares gegen Aufträge“ für gerechtfertigt.

Deutsche Firmen stehen aber nicht nur auf der Täterseite, sondern sehen sich verstärkt auch in der Opferrolle. 70 Prozent betrachten Computerkriminalität als leichte oder erhebliche Bedrohung für ihr Unternehmen – deutlich mehr als im westeuropäischen Durchschnitt. Vor allem die eigenen Angestellten und Lieferanten sehen die Firmen als Gefahrenquelle für Spionage. Deutsche Unternehmen sind wegen ihres Know-how überdurchschnittlich stark durch Cyberkriminalität gefährdet. Die Gefahr hätten viele Firmen aber noch nicht erkannt, so Heißner. „Wenn es um die eigene Sicherheit geht, sind die Unternehmen leider oft blauäugig.“

Weltweit fürchtet sich knapp jedes zweite Unternehmen vor Attacken von Cyberkriminellen. In Brasilien, Großbritannien, den USA und Deutschland sei die Furcht vor Angriffen über die Computersysteme besonders verbreitet. Unter den brasilianischen Managern hätten 76 Prozent das Risiko einer Attacke als eher hoch oder sogar sehr hoch bezeichnet. In Großbritannien seien es 74 Prozent gewesen. Der weltweite Durchschnitt liege bei 49 Prozent. Besonders verbreitet ist dabei die Sorge vor Hackern. Weltweit befürchten laut EY 48 Prozent der Betriebe derartige Angriffe, unter den abgefragten deutschen Unternehmen seien 42 Prozent wegen möglicher Hackerattacken in Sorge. Ein Viertel habe außerdem Angst vor Attacken aus dem Bereich des organisierten Verbrechens und lediglich sechs Prozent Angst vor Angriffen anderer Staaten.