Mehr als jedem dritten Einspruch gegen Hartz-IV-Sanktionen wird stattgegeben

Berlin. Im vergangenen Jahr haben die Arbeitsämter knapp mehr als eine Million Sanktionen gegen Bezieher von Hartz IV ausgesprochen. Viele Arbeitslose wollten die Leistungskürzungen allerdings nicht hinnehmen – und zogen vor Gericht. Nun zeigen erstmals Daten, wie erfolgreich sie dabei waren. Demnach haben die Gerichte bei 42 Prozent aller Klagen dem Arbeitslosen recht gegeben. Dies geht aus einer Antwort des Bundesarbeitsministeriums (BMAS) auf eine Anfrage der Linkspartei hervor. Von 6367 entschiedenen Klagen wurden 2708 vollständig oder teilweise zugunsten der Betroffenen entschieden, heißt es in dem Schreiben.

Von 61.498 Widersprüchen gegen Sanktionen bei Hartz IV wurden 22.414 vollständig oder teilweise zugunsten der Betroffenen entschieden. Das sind mehr als 36 Prozent. Das Arbeitsministerium veröffentlicht erstmals Zahlen dieser Art, da für die Jahre 2011 und 2012 noch keine Daten zur Erfolgsquote von Klagen und Widersprüchen gegen Sanktionen bei Hartz IV vorlagen, schreibt Staatssekretärin Gabriele Lösekrug-Möller (SPD) in ihrer Antwort. Von der Linkspartei kam scharfe Kritik an der Praxis, Sanktionen gegen Leistungsempfänger zu verhängen. Die Parteivorsitzende Katja Kipping sagte: „Die Sanktionspraxis führt zu massenhaften Rechtsverstößen. Grundrechte kürzt man nicht. Die Sanktionen gehören abgeschafft.“

Im Zuge der Hartz-Reformen haben Arbeitsämter die Möglichkeit bekommen, Hartz-IV-Empfänger zu sanktionieren: etwa wenn sie Termine versäumen, Schulungen schwänzen oder die Aufnahme einer zumutbaren Arbeit verweigern. Seit 2007 sprachen die Ämter mehr als sechs Millionen Strafen aus. In den meisten Fällen wurden Meldeversäumnisse geahndet. Laut Angaben der Bundesagentur für Arbeit betrug im Dezember 2013 die durchschnittliche Leistungskürzung rund 106 Euro. Und die Bundesagentur für Arbeit will die Zügel weiter anziehen: So würde die Behörde gerne schärfere Sanktionen aussprechen und bei wiederholtem Versäumen von Terminen Arbeitslosen sofort das Geld streichen. Eine Arbeitsgruppe berät derzeit, ob der Vorschlag umgesetzt werden soll.

Für die Gerichte sind die vielen Klagen gegen Hartz IV Schwerstarbeit. Denn Arbeitslose reichen nicht nur Klagen gegen verhängte Sanktionen ein, viele ziehen auch gegen ihre generellen Hartz-IV-Bescheide vors Gericht. Die Zahl der Widersprüche gegen Hartz-Bescheide stieg bis Ende 2013 auf 193.966. Zugleich waren Ende Dezember noch 201.157 Klagen von Hartz-IV-Empfängern bei Sozialgerichten anhängig. Die Erfolgsquoten sind dabei ähnlich hoch wie bei den Klagen gegen Sanktionen: Jeder dritte Widerspruch (35,5 Prozent) und fast jede zweite Klage (41,7 Prozent) gegen Hartz-IV-Bescheide wurden ganz oder teilweise zugunsten der Leistungsempfänger entschieden.

Die Klagewut hat neben berechtigten Einwänden häufig auch noch andere Gründe. So kostet der Gang vors Gericht Arbeitslose nichts, da ihnen in der Regel Prozesskostenhilfe zusteht. Dadurch sollen auch Bedürftige für ihre Rechte vor Gericht ziehen können. Die Staatskasse kommt dann für die Anwaltskosten auf, wenn das Gericht die Hilfe gewährt.

Allerdings werden Hartz-IV-Empfänger deshalb auch häufig von Anwälten zu Klagen angetrieben, die mit den Verfahren abkassieren wollen. Zwar bekommen Anwälte bei den Verfahren nicht viel Geld aus der Staatskasse. Aber massenhaft betrieben kann sich das Geschäft mit Hartz-IV-Klagen für Anwälte durchaus lohnen.