Zahl der Todesfälle geht leicht zurück. Täter kommen oft aus der eigenen Familie

Berlin. Jede Woche sterben in Deutschland durchschnittlich drei Kinder durch Gewalt oder Vernachlässigung. Das geht aus einer Auswertung der Polizeilichen Kriminalstatistik für das Jahr 2013 hervor, die in Berlin vorgestellt wurde. Insgesamt kamen in dem Zeitraum 153 Kinder unter 14 Jahren ums Leben, wie der Präsident des Bundeskriminalamts (BKA), Jörg Ziercke, erklärte.

Betroffen sind vor allem Kinder unter sechs Jahren: Sie machen 74 Prozent der gesamten Todesopfer aus. Im Vergleich zum Vorjahreszeitraum bedeutet die Gesamtzahl einen leichten Rückgang. 2012 starben noch 167 Kinder. Deutlich ist der Unterschied zu dem Wert vor zehn Jahren: Damals wurden noch fast 250 getötete Kinder gezählt. Trotz der sinkenden Zahl sieht Ziercke keinen Grund zur Entwarnung: „Wer wegsieht, macht sich mitschuldig am Leid der Kinder“, sagte der BKA-Chef. Die größte Gefahr gehe für Neugeborene und junge Kinder aus, sagte Ziercke. Die Hälfte der getöteten Kinder sei jünger als zwei Jahre gewesen.

Ziercke geht von einem hohen Dunkelfeld bei der Gewalt gegen Kinder aus. Die Polizei könne nur die Fälle zählen, die angezeigt und aufgedeckt werden. Rainer Becker, Vorsitzender der Deutschen Kinderhilfe, sagte: „Gewalt gegen Kinder ist in Deutschland noch immer trauriger Alltag.“ Jedes Wegsehen könne ein weiteres Opfer bedeuten. In Missbrauchsfällen seien Kinder und Jugendliche oft nicht in der Lage, das Geschehene zu bezeugen – entweder weil ihnen die Worte fehlten oder aber, weil sie die Loyalität oder Angst gegenüber den Tätern zum Schweigen bringt, erklärte Becker. Die Kinderhilfe ist eine nicht staatliche Lobbyorganisation, die sich für das Wohl von Kindern einsetzt.

Im Gegensatz zu der abnehmenden Zahl der Todesopfer werden laut Kriminalstatistik mehr Kinder körperlich misshandelt. Der registrierte Wert stieg leicht von 3998 (2012) auf 4051 im vergangenen Jahr. Die Zahl sexueller Missbrauchsfälle bei Kindern sank leicht. In diesem Bereich wurden insgesamt 14.877 Missbrauchsfälle gezählt. 2012 waren es noch 15.149. Dabei waren im vergangenen Jahr auch deutlich weniger Kinder unter sechs Jahren betroffen. Während 2012 noch 1957 Fälle aufgeführt wurden, ging die Zahl dieser Opfer 2013 laut Kriminalstatistik auf 1303 zurück.

Bei den Tätern handelt es sich meist um Eltern, Angehörige oder Bekannte aus dem nahen Umfeld der Kinder. Michael Tsokos, Leiter des Instituts für Rechtsmedizin an der Berliner Charité, sagte: „Von den Familien geht die größte Gefahr für die Kinder aus.“ Tsokos bemerke regelmäßig, dass erst zu spät eingeschritten werde. Dabei sei es „keine Kernphysik, eine Misshandlung zu erkennen“, sagte der Rechtsmediziner. Tsokos verlangte eine Schulung von Verantwortlichen wie etwa Lehrern, um Misshandlungen oder Missbrauch künftig besser zu erkennen. Ferner sprach sich der Mediziner für bundesweite Kinderschutzambulanzen aus.