Thomas de Maizières Stern sinkt nach Drohnenaffäre und neben Ursula von der Leyen

Berlin. Der einstmals als Kanzlerinnen-Kronprinz gehandelte Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) versinkt im Ministereinerlei des neuen Kabinetts. 2011 führte er noch die Rangliste der beliebtesten Politiker an. Mittlerweile aber reiht er sich irgendwo zwischen Hannelore Kraft und Gregor Gysi ein. Woran das liegt? Die Union war bei der letzten Bundestagswahl zwar bärenstark. Doch in der Partei fragt man sich, ob man für die Ära nach Merkel gut aufgestellt ist. Von links greifen die erstarkten Sozialdemokraten an, und rechts knabbert die AfD Stimmen ab.

Es ist Ursula von der Leyen (CDU), die in dieser Lage hervorgeprescht ist und de Maizière fürs Erste abgehängt hat. Die Koalitionsverhandlungen im Herbst dauerten viele Woche. Doch schon früh war für die CDU-Politikerin klar, dass sie sich nicht ins Gesundheitsministerium abschieben lassen wollte, auch wenn sie als Medizinerin dafür bestens geeignet wäre. Von der Leyen wollte wichtig bleiben. Ihr Arbeitsministerium war aber bereits dem Koalitionspartner von der SPD versprochen. Damit gab es nicht mehr viele interessante Plätze am Kabinettstisch. Doch von der Leyen setzte sich durch: Die Niedersächsin, die wie ein Duracell-Hase pausenlos auf Politikbetrieb gestellt ist, rang Merkel das Versprechen ab, das Verteidigungsministerium übernehmen zu dürfen. Von der Leyen bekam alles, de Maizière das Innenressort. Spätestens seit diesen Tagen im Dezember heißt es, von der Leyen liegt vorn, wenn es um die mögliche Merkel-Nachfolge geht. Allerdings wird bei dieser Deutung übersehen, dass sich der Abstieg de Maizières bereits Monate zuvor angebahnt hatte.

Thomas de Maizière galt immer als der Makellose. Merkel hatte den in Bonn Geborenen bei der gemeinsamen Arbeit für die DDR-Übergangsregierung kennengelernt. Die zwei wurden zu Vertrauten. Als Merkel das Kanzleramt übernahm, holte sie den Juristen zu sich und machte ihn zum Kanzleramtschef. Im Maschinenraum der Macht sorgte er für ein geräuschloses Funktionieren der Großen Koalition. 2009 wurde er schließlich erstmals Bundesinnenminister. Wie wichtig de Maizière für Merkel tatsächlich war, zeigte sich nach dem Fall des Verteidigungsministers Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU). Die Bundeswehr drohte im Reformchaos unterzugehen. Die Kanzlerin musste schnell handeln und schickte ihren Innenminister als Retter. Doch der neue Posten erwies sich als Schleudersitz. Bereits viele seiner Vorgänger waren durch aus dem Ruder laufende Rüstungsprojekte in arge Bedrängnis geraten. 2013 erwischt es dann auch ihn. De Maizière musste eingestehen, dass er beim Drohnenprojekt „Euro Hawk“ Fehler gemacht hatte. Viel fehlte im Vorwahlkampf nicht, und er hätte gar sein Amt räumen müssen. Seitdem sucht er nach seiner Rolle.

Ursula von der Leyen hingegen sorgt ordentlich für Wirbel. Sie fällt damit auf, dass sie nun selbst im Verteidigungsressort ihre familienpolitischen Ziele anpreist, die sie erst so weit nach oben gebracht haben. Die Ministerin sitzt auf der Regierungsbank im Bundestag zwar nur in der zweiten Reihe und am Kabinettstisch weit außen. Anders als de Maizière strebt sie in diesen Wochen aber nach oben. Der Innenminister hingegen verharrt im kreativen Stillstand. Zwar arbeitet er die Vorhaben ab, die im Koalitionsvertrag ausformuliert sind. Aber damit setzt er lediglich um, was die beiden Verhandlungsführer in diesem Bereich, Thomas Oppermann (SPD) und Hans-Peter Friedrich (CSU), vereinbart haben: Abschaffung der Optionspflicht, strengere Asylbestimmungen für den Westbalkan oder die Neuaufstellung der Islamkonferenz lauten ein paar der Vorhaben. De Maizière meldet regelmäßig Vollzug. Mit neuen Ideen kommt er bisher aber kaum um die Ecke.

Gleich zu Beginn der Amtszeit wischte ihm zudem die SPD eins aus. Der neue Justizminister Heiko Maas erklärte, dass die Pläne für die umstrittene Vorratsdatenspeicherung vorerst „auf Eis“ gelegt würden. In der Öffentlichkeit war daraufhin von einer Kehrtwende der Regierung die Rede. Im Grunde aber hatte Maas lediglich Selbstverständliches ausgesprochen. Der erfahrene de Maizière, der dem Justizminister öffentlich zustimmen musste, stand dennoch als Getriebener und blamiert da. Gar krachend musste der Innenminister seine Pläne einer Grundgesetzänderung für den Einsatz der Bundeswehr bei einem Terrorangriff per Flugzeug beenden. Und bei der Neuaufstellung des Verfassungsschutzes sieht es so aus, als wenn sich der Bundesminister nicht gegen die Bundesländer durchsetzen kann.

Neben den inhaltlichen Bruchlandungen bekommt de Maizière nun auch noch im eigenen Haus Probleme. Viele im Bundesinnenministerium sind zwar froh, dass der eher lustlos agierende Friedrich seinen Posten verlassen hat. Doch Nachfolger de Maizière erntet gerade heftige Kritik für einen umfassenden Personalumbau. Er tauscht das Leitungspersonal gleich in mehreren Abteilungen aus. Zudem werden mit dem anstehenden Umzug ins neue Ministerium 75 Dienstposten von Bonn nach Berlin verlegt. Der Personalrat beklagte in einem Brief einen Handstreich: „Wir bedauern, dass es in unserem Hause Übung geworden ist, die Betroffenen vor vollendete Tatsachen zu stellen, statt sie einzubinden oder zumindest als Erste zu informieren.“ Viel deutlicher geht es kaum. De Maizière hat sich gleich mehrere Fronten geschaffen.

Derzeit dürfte deshalb niemand auf ihn als künftigen Kanzler setzen, auf einen Minister, den sein politisches Glück vorerst verlassen hat und der ohne große politische Projekte dasteht. Obwohl er mit einem Traumergebnis in den CDU-Vorstand gewählt wurde, hat der Politiker mit dem Wahlkreis Meißen außerdem keine Truppen in der Partei hinter sich versammelt. Sein politischer Trumpf war bislang seine Nähe zu Merkel. Doch was ist diese nach von der Leyens Beförderung noch wert?

Im Jahr 2012 fragte ihn die „Welt am Sonntag“ nach Tipps für weniger beliebte Kabinettskollegen. De Maizière hielt sich zurück, sagte aber, es gebe heutzutage aufregende Entwicklungen, viele Sachfragen seien extrem kompliziert. „Und in dieser Lage erwarten die Bürger verantwortliche Politiker, die die Aufregung nicht vergrößern, indem sie jeden Tag neue Vorschläge machen oder sich auch noch beschimpfen, sondern einfach ihre Arbeit tun“, erklärte er. Mal sehen, ob ihm das gelingt.