Sie wählen meistens ihr Lieblingsfach und schätzen Familie als höchsten Wert ein

Berlin . Durch die Menschheitsgeschichte geistert ein finsterer Irrglaube: Die Überzeugung, wer ein gelingendes Leben erwarte, sei versponnen. So klagte einst der Philosoph Ernst Bloch. Allerdings wusste er noch nichts von den deutschen Studenten des Jahres 2014. Hätte er die kennengelernt, er wäre wohl entzückt gewesen. Denn sie brechen mit eben dieser Überzeugung und halten ihren Optimismus für sehr realistisch. Das legt zumindest eine repräsentative Umfrage der Beratungsgesellschaft Ernst & Young nahe. Im Frühling 2014 ließ sie 4300 hiesige Studenten nach ihren beruflichen Plänen und Hoffnungen befragen. Und dabei stießen die Studienmacher auf eine innige Liaison von Zuversicht auf ein gutes Leben und Realitätssinn.

So sind Deutschlands Studenten zu 83 Prozent davon überzeugt, nach dem Abschluss einen guten und ihrer Qualifikation gemäßen Job zu finden. Das gilt nicht nur für die stets gefragten Mediziner (97 Prozent) oder Ingenieure (92 Prozent), sondern auch für eine Mehrheit der Geisteswissenschaftler (immerhin 57 Prozent). Und dieser sonnige Blick in die Zukunft ist mitnichten verträumt. Laut einer Zehn-Jahresstudie des „Hochschul-Informations-Systems“ (HIS) im Auftrag des Forschungsministeriums berichten 88 Prozent der Hochschulabsolventen, sie hätten wenige Jahre nach Studienende einen ihrer Qualifikation angemessenen Beruf gefunden. Die Pflege von Familienbanden nennen 73 Prozent der Befragten als wichtigsten Wert überhaupt.

Bodenhaftung beweisen die Nachwuchsakademiker beim erwarteten Einstiegsgehalt. Das liegt gemäß Ernst- &-Young-Umfrage im Durchschnitt bei 35.100 Euro im Jahr. Damit sind die Studenten fast schon zu vorsichtig. Tatsächlich liegt es bei durchschnittlich 40.800 Euro laut einer Studie der Hans-Böckler-Stiftung. Zehn Jahre später verdient der Durchschnittsabsolvent sogar 63.000 Euro im Jahr, wie die Untersuchung im Auftrag des Forschungsministeriums ergab. Zuversicht leitet die Studierenden auch bei der Wahl ihres Fachs. Die folgt primär der Devise, es müsse Freude bereiten. So erklärten stattliche 92 Prozent, für ihre Fächerwahl sei „persönliches Interesse“ entscheidend gewesen (einzig für die Mehrheit der Wirtschaftswissenschaftler war das spätere Einkommen wichtiger). Kein anderes Motiv für die Fächerwahl, vom Karrierewunsch bis zur Orientierung am Arbeitsmarktbedarf, erreichte ähnlich hohe Werte.

Diese Ausrichtung am Lustprinzip wird von vielen Experten seit Jahren als verantwortungsvoll empfohlen. Das begründet Michael Winteroll, Studienberater an der Technischen Universität Berlin, mit der Warnung, man dürfe keinesfalls „nur danach schauen, welche Qualifikationen am Arbeitsmarkt gerade gesucht sind“, weil „der Bedarf in drei oder fünf Jahren nur schwer vorhersagbar“ sei. Zudem sei ein mehrjähriges Studium gegen jede Neigung nicht leicht durchzuhalten. Politisch ist der Nachwuchs korrekt. 86 Prozent nannten als zu verfolgendes Ziel den Schutz der Menschenrechte, 79 Prozent den Klima- und Umweltschutz, 78 Prozent die soziale Gerechtigkeit.