Rumänen und Bulgaren schneiden in Untersuchung zur Anpassungsbereitschaft von Migranten besonders gut ab

Berlin. Die Integration von Zuwanderern hat in den vergangenen zehn Jahren große Fortschritte gemacht. Vor allem steigt das Bildungsniveau von Migranten: In Deutschland geborene Kinder von Zuwanderern erreichen oft höhere Schulabschlüsse als ihre Eltern. Die Nachkommen der ehemaligen Gastarbeiter sind in der Regel besser gebildet als ihre Eltern. Das ist der Befund, den Reiner Klingholz, Direktor des Berlin-Instituts für Bevölkerung und Entwicklung, bei der Vorstellung der Studie „Neue Potenziale. Zur Lage der Integration in Deutschland“ bekannt gab.

Und: Je später die Zuwanderer nach Deutschland gekommen sind, desto besser sind ihre Abschlüsse. Unter den Migranten, die nach 2005 nach Deutschland gekommen sind, gibt es dabei sogar mehr Akademiker als in der einheimischen Bevölkerung: Das gilt auch für Rumänen und Bulgaren. „Zwar kommen noch rund zehn Prozent aller Zuwanderer ohne jeden Bildungsabschluss ins Land, darunter viele Saisonarbeiter“, sagte Klingholz. „Aber von einer Armutszuwanderung als Massenphänomen kann keine Rede sein.“

Grundtenor der Untersuchung ist, dass Zuwanderer den Einheimischen immer ähnlicher werden: Migranten bekommen weniger Kinder, heiraten seltener und trennen sich häufiger. Nach jüngsten Zahlen des Statistischen Bundesamts leben derzeit rund 15,3 Millionen Menschen mit Migrationshintergrund in Deutschland; das sind 19,2 Prozent der Bevölkerung. Rund 1,226 Millionen Menschen sind 2013 nach Deutschland gezogen – so viele wie seit 20 Jahren nicht. Der Saldo aus Zu- und Wegzügen lag bei 437.000, ebenfalls ein 20-Jahres-Rekord. Damit bestärkt Deutschland seinen Ruf als beliebtes Einwanderungsland: Schon 2012 kamen laut einem Bericht der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) so viele Zuwanderer in die Bundesrepublik wie sonst nur in die USA.

Die Forscher vom Berlin-Institut stützten sich bei ihrer Studie auf die Daten des Mikrozensus von 2010, für den 800.000 Menschen befragt wurden. Seit 2005 haben die Autoren des Mikrozensus eine kleine, entscheidende Veränderung vorgenommen: Es wird nach dem eigenen Geburtsland und dem der Eltern gefragt. So ist es möglich, nicht nur zwischen Ausländern und Deutschen zu unterscheiden, sondern auch die Eingebürgerten zu erfassen.

Unter dem Titel „Ungenutzte Potenziale“ hatte das Berlin-Institut 2009 schon einmal den Stand der Integration in Deutschland analysiert. Das zentrale Ergebnis war damals, dass die türkischstämmigen Einwanderer die größten Integrationsprobleme hatten, während Aussiedler als erfolgreicher galten als ihr Ruf. Fünf Jahre später attestiert die Studie der türkischen Migrantengruppe weiterhin die stärksten Integrationsprobleme. Die besten Integrationswerte bekommen Zuwanderer aus der Europäischen Union – auch jene aus östlichen EU-Staaten. Um den Stand der Integration zu messen, wurde ein „Index zur Messung von Integration“ erarbeitet. Die meisten der 20 Faktoren gehören in die Bereiche Bildung, Erwerbsarbeit und soziale Absicherung. Hinzu kommt, was die Autoren „Assimilation“ nennen: der deutsche Pass oder die bikulturelle Ehe.

Die Fortschritte beruhen demnach allerdings weniger auf einer erfolgreichen deutschen Integrationspolitik als auf geänderten wirtschaftlichen Bedingungen. Früher warben Unternehmer gering qualifizierte Gastarbeiter an. Heute aber lockt die Bundesrepublik wegen des Fachkräftemangels überwiegend gut ausgebildete Zuwanderer an. „Die Zuwanderer heute finden vergleichsweise leicht eine Beschäftigung und erfüllen damit die wichtigste Voraussetzung für eine gelingende Integration“, sagte Klingholz. Die Arbeitslosigkeit ist in den vergangenen Jahren im ganzen Land stark gesunken. Davon profitieren auch die Migranten. „Deutschland entwickelt sich langsam, aber sicher zu einem modernen Einwanderungsland, ähnlich wie Kanada oder Neuseeland“, sagte Klingholz.

Kinder von Gastarbeitern haben bessere Schulabschlüsse als ihre Eltern

Alte Probleme durch verpasste Integrationspolitik bleiben aber laut der Studie dennoch bestehen. Die Kinder von Gastarbeitern erlangen zwar bessere Schulabschlüsse als ihre Eltern; der Unterschied zur einheimischen Bevölkerung ist aber weiterhin beträchtlich. 25 Prozent der in Deutschland geborenen Nachkommen türkischer Migranten machen das Abitur – bei den Einheimischen sind es 43 Prozent. „Viele Migranten vererben also nach wie vor ihren geringen Bildungsstand an ihre Kinder“, konstatierte Klingholz. Das ist nicht nur auf das deutsche Bildungssystem zurückzuführen. Die Mädchen türkischer Eltern machen häufiger Abitur als die Jungen. Und Kinder von Zuwanderern aus Asien etwa erzielen weitaus bessere Schulabschlüsse als deutsche – auch wenn ihre Eltern ein niedriges Bildungsniveau haben.

Wie gut Menschen integriert seien, hänge letztendlich auch stark vom regionalen Angebot an Arbeitsplätzen ab, sagte Klingholz. Beim Länder-Ranking liegen Hessen und Hamburg vorn, Niedersachsen und das Saarland hinten. Im Städtevergleich schneiden München, Bonn, Frankfurt am Main und Düsseldorf besonders gut ab; Schlusslichter sind Duisburg, Nürnberg und Dortmund. Dort sei die Arbeitslosigkeit groß, und die Probleme unter den Migranten häuften sich.

Nach ebenfalls am Dienstag veröffentlichten Zahlen des Statistischen Bundesamtes sind im erwerbsfähigen Alter von 15 bis 64 Jahren zwei Drittel der Migranten und drei Viertel der Menschen ohne Migrationshintergrund erwerbstätig.

Hinsichtlich der Schulabschlüsse unterscheiden sich die Migranten den Statistikern zufolge deutlich von den Menschen ohne Migrationshintergrund: 15,5 Prozent der Bevölkerung mit Zuwanderungsgeschichte haben keinen Schulabschluss, bei der Bevölkerung ohne Migrationshintergrund sind es 2,3 Prozent.