Beim Kirchentag in Regensburg herrschen Aufbruchstimmung und Zuversicht

Regensburg. Sie hat viele Jahrhunderte überdauert und wird nun erneuert – sehr behutsam, um die Substanz nicht zu gefährden: Die Steinerne Brücke in Regensburg wurde beim Katholikentag zum Sinnbild für die noch viel ältere katholische Kirche. „Mit Christus Brücken bauen“ wollten die 53.000 Besucher beim fünftägigen Laientreffen. Sie bewegten sich mit ihrer Kirche im Spannungsfeld zwischen Bewahren und Modernisieren.

An welcher Wegmarke die katholische Kirche mit ihren gut 24 Millionen Schäfchen in Deutschland steht, lässt sich schwer bestimmen. Klar wurde in Regensburg, dass sie sehr viel weiter ist als noch vor einigen Jahren. Und dass Aufbruchstimmung herrscht. Kontroverse Diskussionen um den Umgang mit Homosexuellen, offener Schlagabtausch zwischen einem Missbrauchsopfer und einem Bischof, ein Podium zu Schwangerenkonfliktberatung und Abtreibung, Debatten über das Geld der Kirche und einen kollegialeren Führungsstil: Kritik darf stattfinden, wer den Mund aufmacht, wird nicht mehr abgestraft.

Möglich macht das nicht zuletzt Papst Franziskus, jener „Popstar“, der allein durch sein Auftreten und seine Worte so viel frischen Wind in die Kirche brachte. „Der Franziskus-Effekt ist da“, sagt Münchens Erzbischof Reinhard Kardinal Marx, seit März Chef der Deutschen Bischofskonferenz. Und so berufen sie sich alle auf den Pontifex (Brückenbauer): Die jungen Ministranten, die Caritas-Mitarbeiter, die kritischen Basisgruppen, die Bischöfe – selbst die besonders Konservativen unter ihnen wie Gastgeber Rudolf Voderholzer, der sich über einen „weitgehend harmonischen, unverkrampften Katholikentag“ freute.

Menschenmassen im mächtigen Dom, bayerische Bläser und tschechische Rocker, ein Kerzenmeer zur Besinnung, eine Kreuzprozession durch enge Gassen, Zehntausende bei der Eucharistie unter freiem Himmel: Es war nicht nur ein politischer und kirchenpolitischer Katholikentag mit Bundespräsident und Kanzlerin – es war ebenso ein Fest der Spiritualität, der Versicherung des Glaubens, des Erlebens von Gemeinschaft.

„Man hat in Regensburg gespürt, dass mehr Zuversicht herrscht in der Kirche“, bilanziert Alois Glück vom Zentralkomitee der deutschen Katholiken. Es sei mehr Bereitschaft zum Dialog, mehr Zuversicht zu spüren. Auch Kardinal Marx meint, nach schweren Jahren habe das Treffen Mut gemacht. „Wir spüren Rückenwind für unsere Arbeit.“

Doch in Regensburg ist der Druck auf die Amtskirche weiter gewachsen. Dialogfähigkeit, das Akzeptieren der Meinung anderer, das Austragen von Kontroversen sind richtig und wichtig. Aber müssen Franziskus und die deutschen Bischöfe, die ja einen breiten Dialogprozess mit den Laien schon 2010 als Folge des Missbrauchsskandals anstießen, nicht auch bald liefern?

„Es reicht nicht aus, über Aufbruch zu reden“, mahnt Christian Weisner von der Basisgruppe „Wir sind Kirche“. „Es müssen Taten folgen, die Ungeduld ist groß.“