Istanbul. Der Grünen-Vorsitzende Cem Özdemir hat den türkischen Ministerpräsidenten Recep Tayyip Erdogan mit Kritik an dessen Auftritt in Köln gegen sich aufgebracht. Erdogan bezeichnete Özdemir am Dienstag vor Abgeordneten seiner islamisch-konservativen Regierungspartei AKP als „angeblichen Türken“. Özdemir habe vor und nach dem Auftritt sehr hässliche Worte gewählt, sagte Erdogan vor laufenden Fernsehkameras. Der Grünen-Vorsitzende hatte gesagt: „Ministerpräsident Erdogan sollte wissen, dass er hier auch als Repräsentant der Türkei spricht und nicht in eigener Sache einen Wahlkampf machen kann, der die Konflikte der Türkei nach Deutschland trägt und die Situation weiter aufheizt.“

Özdemir wies die Kritik zurück: „Ich bedaure sehr, dass die aktuelle Diskussion und politische Situation sich so zugespitzt hat, dass anscheinend kein Platz mehr ist für differenzierte Zwischentöne“, teilte er mit. Die Polarisierung der türkischen Gesellschaft könne nicht überwunden werden, wenn Befürworter und Gegner zu einer extremen Wortwahl griffen und einander nicht mehr zuhören könnten.

Das Erstarken rechtspopulistischer Parteien bei der Europawahl ist nach Einschätzung Erdogans eine Folge der Untätigkeit Europas mit Blick auf rechtsradikale Tendenzen. Seit Jahren warne sein Land vor einem wachsenden Rassismus und vor Neonazi-Verbrechen in Europa, sagte Erdogan am Dienstag. Das Wahlergebnis habe die türkischen Befürchtungen bestätigt. In einer vom Fernsehen übertragenen Rede vor der Parlamentsfraktion seiner Regierungspartei AKP in Ankara wies Erdogan die Kritik an seiner Reise nach Köln am Wochenende zurück.