CDU und CSU leisten sich ein Stimmungstief. Gemeinsame Themen haben sie nicht

Berlin. „Allein, allein, die Stille singt“ heißt die „Vitrinenpräsentation“ über das DDR-Schriftstellerpaar Erwin und Eva Strittmatter, die man in der Berliner Akademie der Künste gerade besichtigen kann. Doch an diesem Montagmorgen wird am Ort der Hochkultur noch anderes geboten als der Nachlass von DDR-Autoren: CDU und CSU stellen hier ihren „gemeinsamen Wahlaufruf zur Europawahl 2014“ vor.

„Allein, allein“ muss dabei keiner singen, vielmehr reihen sich mit dem CDU-Spitzenkandidaten David McAllister, dem CSU-Spitzenkandidaten Markus Ferber und den beiden Generalsekretären Peter Tauber (CDU) und Andreas Scheuer (CSU) gleich vier Männer mit dunklen Anzügen, bunten Krawatten und fröhlichen Gesichtern hinter vier Mikrofonen auf. Was wie der Auftritt eines Barbershop-Quartetts aussieht, ist ähnlich anspruchsvoll: In unterschiedlicher Stimmlage singen – und doch irgendwie harmonisch wirken.

Das hatte zuletzt gar nicht geklappt: Vor allem Ferber sorgte für Dissonanzen. Der Europaparlamentarier, der auch Bezirksvorsitzender seiner Partei in Schwaben ist, kritisierte die Ukraine-Politik von Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD): „Außer Spesen nix gewesen.“ Daraufhin hatte sich die Bundeskanzlerin demonstrativ zur Politik ihres Außenministers bekannt. Der CSU-Parteivorsitzende Horst Seehofer faltete Ferber gar in einem Telefonat zusammen. In der Akademie der Künste mäkelte dieser nun nur noch an der Ukraine-Politik von Lady Catherine Ashton herum, der EU-Außenbeauftragten, die nicht nur im Wahlkampf niemanden interessiert.

Ferber hatte dafür einen anderen Kracher mitgebracht. Fast beiläufig kritisierte er die Europäische Kommission, weil sie „nur eine Woche vor der Wahl“ eine neue Runde in den Verhandlungen mit den Vereinigten Staaten über das transatlantische Freihandelsabkommen angekündigt habe. Nun ist das Abkommen ein beliebtes Angriffsziel im Wahlkampf, aber vor allem von linker und grüner Seite. Die deutsche Politikerin, die sich hingegen seit Jahren dafür starkmacht, zuletzt in Washington dafür in der Handelskammer warb und noch am Sonnabend im Wahlkampf vor Legendenbildung von angeblicher Intransparenz warnte, heißt: Angela Merkel. Er befinde sich „im Konsens“ mit der Kanzlerin, sagte Ferber dennoch, ohne den Widerspruch zu seiner Kritik zu erklären.

Auch der Wahlkampf läuft nicht so, wie sich das die Parteizentralen wünschen würden. „Die Veranstaltungen mit Angela Merkel sind überragend besucht“, so kleidet der Profi McAllister das Problem in schöne Worte: Ohne die Kanzlerin läuft nichts. Da Merkel zwar plakatiert wird, aber nicht zur Wahl steht, mobilisiert sie nicht wie noch bei der Bundestagswahl. Zudem haben die linken Konkurrenten von SPD und Grünen der Union diesmal nicht den Gefallen getan, mit Ankündigungen von Veggi-Days oder Steuererhöhungen im Wahlvolk Angst und Schrecken zu verbreiten.

Das Ergebnis der Bundestagswahl (41,5 Prozent) werden die Unionsparteien kaum erreichen. Zurzeit liegen sie zwischen 37 und 38 Prozent, bei leicht fallender Tendenz. Das mag, da der Vorsprung vor den Sozialdemokraten deutlich bleibt, nicht dramatisch sein. Da sich allerdings die FDP nicht erholt hat, ist das bürgerliche Lager weiter geschrumpft. Es sei denn, man zählt die Alternative für Deutschland (AfD) hinzu. Die von inneren Querelen heimgesuchten Euro-Kritiker haben zwar zurzeit eine schlechte bis vernichtende Presse, finden aber im Wahlvolk immer mehr Zuspruch. Die Umfragen sehen sie zwischen sechs und sieben Prozent.

Auch für den richtigen Umgang mit den Newcomern haben die Unionsparteien kein einheitliches Konzept. Währen der CSU-General Scheuer angriffslustig versprach, sie „noch einmal argumentativ in die Mangel zu nehmen“, grenzt sich Tauber ab: „Ich nehme die AfD nicht in die Mangel.“ Da die Wahlbeteiligung bei der Europawahl immer niedrig ist und diesmal besonders niedrig vorhergesagt wird, kommt der Mobilisierung der Stammwähler besondere Bedeutung zu. Sie soll in der letzten Woche der Kampagne vor allem mit zwei Themen funktionieren, die im EU-Alltag eher eine nebensächliche Rolle spielen. Einmal geht es um den Nebensatz des sozialistischen Kandidaten Martin Schulz aus dem TV-Duell, der öffentliche Raum müsse in Bezug auf die Religion „neutral“ sein.

Dies wird von der CSU in den Kontext linker Initiativen gestellt, Kruzifixe in der gesamten EU aus Schulen oder Gerichten zu verbannen. Dagegen will Scheuer nun mobilisieren: „Was Herr Schulz in seinem Wohnzimmer macht, ist seine Entscheidung, was wir in unseren Schulen und auf unseren Gipfeln in Bayern machen, ist unsere Sache.“

Die CDU spricht sich zwar ebenfalls für das Kreuz aus, ist aber erkennbar bemüht, die Angelegenheit nicht so hochzuziehen wie die Bayern – zumal Schulz inzwischen einen Rückzieher gemacht hat.