Neues Abkommen gegen Kriminalität sichert Befugnisse auf dem jeweils anderen Staatsgebiet

Zgorzelec. Deutschland und Polen haben ein neues Bündnis gegen Kriminalität geschlossen. Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) und sein polnischer Amtskollege Bartlomiej Sienkiewicz unterzeichneten am Donnerstag in Zgorzelec ein entsprechendes Abkommen. „Heute ist ein guter Tag für die Sicherheit der Bevölkerung in beiden Staaten“, sagte de Maizière. Für Kriminelle sei es allerdings ein schlechter Tag. Auch Sienkiewicz ging davon aus, dass sich mit der Vereinbarung die Sicherheit im Grenzgebiet spürbar verbessern wird. Die Parlamente beider Länder müssen dem Gesetz nun noch zustimmen.

Der Vertrag sieht mehr Rechte für deutsche Polizisten auf polnischem Boden und für Kollegen aus Polen auf deutschem Gebiet vor. So können Beamte Straftäter auf dem Territorium des jeweiligen Nachbarlandes vorläufig festnehmen. Bisher mussten sie warten, bis ein einheimischer Polizist eintraf. Künftig gilt als Grenzgebiet auf deutscher Seite nicht nur ein Streifen von 30 bis 50 Kilometern an der Grenzlinie, sondern das gesamte Gebiet der Bundesländer Brandenburg, Berlin, Sachsen und Mecklenburg-Vorpommern.

Brandenburgs Regierungschef Dietmar Woidke (SPD), der als Polen-Koordinator der Bundesregierung nach Zgorzelec kam, wertete das Abkommen als „Riesenfortschritt hin zu einer neuen Qualität in der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit“. Berlin und Warschau hätten damit anerkannt, dass eine sichere Grenzregion eine wichtige Voraussetzung für ein gutes deutsch-polnisches Verhältnis sei: „Es war an der Zeit, ein zeitgemäßes Abkommen auszuhandeln.“ Nach den Worten von Sienkiewicz hat die Polizei mit dem Vertrag sowohl die organisierte Kriminalität als auch Einzeltäter im Visier.

Nach Ansicht von de Maizière gibt es bereits für die bisherige Kooperation deutscher und polnischer Polizisten eine große Akzeptanz in der Bevölkerung, etwa bei gemeinsamen Streifen. Die Bewohner der Grenzregion würden sich auch über das neue Abkommen freuen. Bei Einbruch- und Kfz-Diebstahl habe man es mit einer europaweit beachtlichen Zunahme von international organisierter Bandenkriminalität zu tun: „Da sind Polen und Deutschland oft nur ein Durchgangsland“, sagte er.

„Der neue Vertrag stärkt die gemeinsame Schlagkraft gegen die Kriminalität in der Grenzregion“, sagte Sachsens Innenminister Markus Ulbig (CDU). Wichtig sei für Sachsen, dass man noch in diesem Jahr Gleiches mit Tschechien hinbekomme. De Maizière bekräftigte seinen Willen, ein entsprechendes Abkommen möglichst bis Ende dieses Jahres auszuhandeln.

Die Verhandlungen für das Abkommen dauerten etwa zweieinhalb Jahre. Der Vertrag wird erst gültig, wenn die Parlamente beider Länder zugestimmt haben. Das parlamentarische Verfahren dürfte einige Zeit in Anspruch nehmen. Erwartet wird, dass das Abkommen frühestens im kommenden Jahr in Kraft treten wird.

Auch Mecklenburg-Vorpommerns Innenminister Lorenz Caffier (CDU) hat den neuen deutsch-polnischen Vertrag begrüßt. Damit würden bürokratische Hürden abgebaut, erklärte er in Schwerin. Das Abkommen sei ein wichtiger Schritt, um grenzüberschreitende und internationale Kriminalität wirksam zu bekämpfen. „Die Sicherheitslage in Europa wird neben den traditionellen Deliktsformen in erster Linie durch internationale Kriminalitätsphänomene wie Terrorismus, Menschenhandel, illegaler Drogen- und Waffenhandel oder Bedrohungs- und Betrugsdelikte geprägt, die vor Ländergrenzen nicht haltmachen“, sagte Caffier.

Nach dem Wegfall der stationären grenzpolizeilichen Kontrollen an der deutsch-polnischen Grenze würden Autobahnen in Mecklenburg-Vorpommern zunehmend für den Transport von Diebesgut aus West- und Nordeuropa nach Osteuropa genutzt. Nun könnten deutsche Polizisten flüchtende Täter über die Grenze hinweg verfolgen und auch in Polen festnehmen.

Das Abkommen löst einen Vertrag aus dem Jahr 2002 ab, der im Juni 2003 in Kraft trat. Damals war Polen noch kein EU-Mitglied. Auch deshalb stand eine Neuregelung auf der Agenda. Wichtige Details im Überblick:

Die polizeiliche Zusammenarbeit war bisher in verschiedenen Gesetzen und Bestimmungen geregelt – nun in einem Dokument. Polizisten erhalten mehr Befugnisse und Rechtssicherheit.

Bei gemeinsamen Streifen kann fortan auch der Polizist des anderen Staates Personen kontrollieren, Identitäten feststellen und überprüfen oder Verdächtige vorläufig festnehmen.

Die „Nacheile“ – die Verfolgung von Kriminellen auf frischer Tat – war bislang nicht geregelt. Jetzt geht die Regelung sogar über das Schengener Durchführungsübereinkommen hinaus.

„Nacheile“ nur auf dem Landweg: Diese bisherige Beschränkung fällt weg. Auch ein Polizeihubschrauber muss bei der Verfolgung eines flüchtigen Fahrzeugs nicht mehr an der Grenze umkehren.

Bei Gefahrensituation: Wenn ein Polizist eine solche erkennt, auch auf dem anderen Staatsgebiet – zum Beispiel eine Explosion -, darf er die Grenze übertreten und handeln. Bisher durfte er dann nicht eingreifen.