Bei den Finanzen der Bundesländer entsteht ein anderes Gefälle. Können die neuen Länder besser haushalten?

Berlin. Christian Görke von der Linkspartei sitzt in einem Tagungsraum im neuen Landtag in Potsdam. Am 21. Januar wurde er zum neuen Finanzminister Brandenburgs gewählt. Er übernahm von seinem Vorgänger und Parteifreund Helmuth Markov einen Luxusetat.

Bei einem Haushalt von rund zehn Milliarden Euro hat Brandenburg 2013 einen Rekordüberschuss von rund 710 Millionen Euro gemacht. Die Hälfte des Betrags fließt in den Schuldenabbau, die andere in eine eiserne Reserve für schlechte Zeiten. „Wir haben unsere Mehreinnahmen anders als etliche alte Bundesländer nicht in Mehrausgaben gesteckt, sondern größtenteils angespart“, sagt Görke. „Das eröffnet uns nun neue Spielräume, wie etwa für ein kommunales Konjunkturprogramm.“

Wie Brandenburg stehen alle ostdeutschen Bundesländer finanziell glänzend da. Alle fünf neuen Länder haben 2013 Haushaltsüberschüsse erwirtschaftet, selbst das klamme Berlin hat eine halbe Milliarde plus gemacht und tilgt Schulden. Im Westen hingegen ist die Finanzlage vieler Länder trüb: Nur Bayern und Schleswig-Holstein haben 2013 mehr Ein- als Ausgaben gehabt, die anderen Länder stecken alle in den roten Zahlen. Die Ostländer haben die Westländer finanziell abgehängt. Woran liegt das? Sind die Ostdeutschen die besseren Haushälter? Und muss angesichts des Gefälles nicht über eine grundlegende Reform des Länderfinanzausgleichs nachgedacht werden?

Die Haushaltslage im Osten war nicht immer so gut. Nach der Wende haben die neuen Bundesländer ihren Personalstock kräftig aufgebläht, Investitionen über Kredite finanziert. So türmten die neuen Länder jede Menge Schulden auf.

Jeder Thüringer etwa ist mit 7400 Euro verschuldet, in etwa so hoch wie jeder Bürger von Nordrhein-Westfalen. Eine löbliche Ausnahme war Sachsen: Das Land begann schon in den 90er-Jahren zu sparen und baute Personal ab. Heute steht jeder Sachse pro Kopf mit gerade mal 1250 Euro in der Kreide.

Auf die anderen Ostländer begann der Druck wenig später zu steigen. Bereits im vergangenen Jahrzehnt war klar, dass die Mittel aus dem Solidarpakt, EU-Fördertöpfen und Länderfinanzausgleich abnehmen werden. Gleichzeitig gilt ab 2020 für die Bundesländer die in der Verfassung verankerte Schuldenbremse, welche die Aufnahme neuer Schulden verbietet. „Die Ostländer haben Anfang der 2000er-Jahre gemerkt, so geht es finanzpolitisch nicht weiter, und sind schärfer an ihre Haushalte rangegangen als im Westen“, sagt Karl-Heinz Paque, Wirtschaftsprofessor an der Universität Magdeburg und früherer Finanzminister Sachsen-Anhalts.

Die Folge: Während in einigen westdeutschen Bundesländern wie Hessen oder dem Saarland die Ausgaben seit 2002 um ein Drittel stiegen, nahmen sie in den ostdeutschen Ländern nur geringfügig zu. „Manche Westländer klagen angesichts ihrer immensen Ausgabensteigerungen auf hohem Niveau“, sagt Görke.

Brandenburg hat seit 2011 die Ausgaben konstant gehalten. „Der Sparkurs war zu Beginn nicht einfach, weder im Land noch in der eigenen Partei“, sagt Helmuth Markov, der als Finanzminister den Sparkurs auf den Weg brachte. Aber nachdem Rot-Rot es einmal geschafft hatte, Ausgaben zu deckeln, kamen die Überschüsse mit den steigenden Steuereinnahmen fast von allein.

Doch warum gelang das den alten Bundesländern nicht auch? Markov macht dafür auch Mentalitätsunterschiede verantwortlich. Die Pleite der DDR habe die Bürger im Osten geprägt: „Man muss mit dem auskommen, was man hat, und darf nicht über seine Verhältnisse leben“, sagt Markov. Und möglicherweise sei man wegen weniger festgefahrener Strukturen im Osten flexibler als im Westen, sagt Görke. „Die Ostländer sind vielleicht eher als die alten Bundesländer in der Lage, sich ohne Scheuklappen neuen Sichtweisen zu stellen und alte Zöpfe abzuschneiden.“ Thüringen, das etwas länger als andere Ostländer brauchte, um sich einen Sparkurs zu verordnen, hat die Ausgaben zuletzt mal eben um zehn Prozent gekürzt.

Allerdings müssen die westlichen Bundesländer auch deutlich größere Altlasten schleppen als der Osten. Über Jahrzehnte haben sich dort hohe Pensionsverpflichtungen aufgebaut, die der Osten so nicht hat. Und ein weiterer entscheidender Punkt fehle in der Aufzählung, warum die neuen Länder schuldenfrei sind, sagt ein westdeutscher Länderfinanzminister: Die Finanzspritzen des Westens an den Osten. Weil über den Solidarpakt und den Länderfinanzausgleich viel Geld in die neue Länder fließt, hätten die mehr Spielraum in ihrem Haushalt.

Experten wie Paque stimmen dem zwar zu. Die Ostländer wollen diese Kritik aber nicht so stehen lassen. „Das Klagen einiger Westländer, die Ostländer würden nur wegen ihrer Alimentierung gut dastehen, ist eine gnadenlos verlogene Neiddebatte“, sagt Markov. Von den guten laufenden Steuereinnahmen und Niedrigzinsen profitierten alle. „Jedes Land, das in dieser guten wirtschaftlichen Situation keinen Überschuss einfährt, sollte seine Finanzpolitik ernsthaft hinterfragen“, sagt Görke mit Blick in Richtung Westen.

Der Finanzminister macht sich keine großen Sorgen, dass Brandenburg die Schuldenbremse 2020 reißen könnte. Für manche westdeutsche Länder wird das durchaus problematisch werden. Neidisch blickt man deshalb im Westen in den Osten. Sachsen könnte einer Studie zufolge 2020 unter Berücksichtigung der Pensionslasten finanziell von allen 16 Ländern am besten dastehen und sogar das reiche Bayern abhängen. Und doch wird Sachsen wegen seiner im Vergleich zum Westen schwachen Wirtschaftskraft nach heutigem Stand weiterhin Geld aus dem Länderfinanzausgleich bekommen.

Die westdeutschen Länder wollen das nicht länger hinnehmen und einen Teil vom Kuchen des Solidarpakts abhaben. Die Ostländer wissen, dass sie sich dem nicht länger verschließen können, wollen sie selbst auch weiter in den Genuss von Fördermitteln kommen. So werde sich Brandenburg dafür einsetzen, dass künftig auch strukturschwache Regionen im Westen Hilfe bekommen, sagt Görke. „Wir denken nicht nur an den Osten, sondern auch an den Westen.“

Doch auch für die ostdeutschen Länder ist nicht alles Gold, was glänzt. Die Steuerkraft vieler ostdeutscher Länder ist nach wie vor deutlich schwächer als im Westen. Die demografische Entwicklung wird das in den nächsten Jahren noch verstärken. Deshalb müssen die Ostländer trotz der derzeit kräftigen Überschüsse weiterhin strikt sparen, wenn die Fördermittel in den nächsten Jahren auslaufen.