Soll der US-Enthüller in Berlin befragt werden? Ein von der Regierung bestelltes Gutachten sorgt in Berlin für viel Wirbel

Berlin. Die Kanzlerin ist in Washington, und in Berlin wird hauptsächlich über Edward Snowden geredet: Wie wichtig ist der amerikanische Enthüller für die Aufklärung der NSA-Affäre? Welche Rolle spielt er für den Untersuchungsausschuss des Bundestages? Wie könnte man ihn überhaupt befragen?

Eigentlich muss die Bundesregierung die Überwachungsaffäre abschütteln. Die vergangenen Monate haben schließlich gezeigt, wie machtlos Berlin gegenüber den Spähvorhaben der Amerikaner ist. Beim Besuch der Bundeskanzlerin bei US-Präsident Barack Obama sollte es eigentlich darum gehen, das beschädigte Vertrauen zu reparieren. Das konnte gelingen, indem man sich gemeinsam anderen Problemen stellt: der Krise in der Ukraine oder den Verhandlungen über ein transatlantisches Freihandelsabkommen.

Aber von wegen. Der innenpolitische Streit über Snowden eskalierte ausgerechnet während der USA-Reise der Kanzlerin. Die Regierung wird die Debatte nicht los. Dabei versucht sie es bereits seit Wochen. Ihr Trick, der aber nicht wirklich gut funktioniert: nicht festlegen, alles offenlassen – und das am besten so lange wie möglich.

Es ist dieser Umgang mit politischen Problemen, der für Merkel typisch geworden ist, wenn weder die Zusammenstellung einer Kommission oder die Bildung eines runden Tisches als Auswege bleiben. Kanzleramtschef Peter Altmaier (CDU) hat dafür am Freitagmorgen ein gutes Beispiel gegeben. Zuvor war am Mittwoch ein Gutachten der Bundesregierung durchgesickert, wonach eine Vernehmung Snowdens vor dem Untersuchungsausschuss in Berlin im Grunde unmöglich sei. Das Gutachten wurde öffentlich bekannt, bevor es den Mitgliedern des Ausschusses vorlag. Das stieß sogar Unionsmitgliedern des Parlamentsausschusses unangenehm auf. Den Amerikanern, die den ehemaligen Geheimdienstmitarbeiter angeklagt haben, dürfte es gefallen haben.

Doch die Opposition war sauer. Sie will den im russischen Asyl lebenden Snowden unbedingt als Zeugen haben – aber eben nicht im Beisein der russischen Geheimdienste. Politiker der Grünen und Linken schafften es, dass die Snowden-Frage über den Feiertag nicht aus dem Blickfeld verschwand und einen Schatten auf die US-Reise warf. Das nun wieder konnte die Bundesregierung nicht erfreuen.

Kommunikationsprofi Altmaier meldete sich im RBB zu Wort: Noch sei gar nichts vom Tisch. Es gebe mehrere Möglichkeiten, wie man mit Snowden sprechen könne. „Eine Entscheidung über die Modalitäten ist noch nicht gefallen.“ Er verwies auf die Möglichkeit einer Befragung in Moskau. Da war sie wieder, die Taktik des offenen Endes.

Die Regierung wird das Snowden-Problem einfach nicht los. Mitte April eskalierte die Situation zum ersten Mal. Damals erklärte der CDU-Innenexperte Clemens Binninger seinen Rücktritt vom Vorsitz des NSA-Ausschusses. Verantwortlich machte er die Opposition und ihre unnachgiebige Haltung in der Snowden-Frage. Das aber war nur eine Seite der Wahrheit. Binninger hatte mitbekommen, wie hart sich die Fronten bekämpfen, zwischen die er als Ausschusschef gerät – vor allem dann, wenn es um die Person Snowden geht.

In der Union hatte es schon vor Wochen Warnungen vor einer Befragung des Enthüllers hierzulande gegeben: Das Verhältnis zu den USA werde schwer belastet, wenn man ihn nicht ausweisen würde. Und täte man dies, stünden Opposition und Bürgerrechtler auf den Barrikaden. Auf die Regierungsparteien fiel dabei ein Zugeständnis gegenüber der Opposition zurück: Obwohl Grüne und Linke nur über rund 20 Prozent der Stimmen im Bundestag verfügen, dürfen sie im Untersuchungsausschuss zwei der acht Mitglieder stellen. Das reicht aus, um Akten zu beantragen und eben Zeugen einzuladen. In der konstituierenden Ausschusssitzung – wenige Tage vor Binningers Rückzug – beantragte die Opposition, Snowden vorzuladen.

So kurz vor der Merkel-Reise kam das einem Affront gleich. Union und SPD konnten aber nicht ablehnen, sondern den Beschluss lediglich verzögern. Das taten sie. Der Ausschuss stellte jenen Prüfauftrag an die Bundesregierung, der nun für Wirbel sorgt. Erst am Freitag musste die Antwort vorliegen. Die eigentliche Entscheidung soll erst bei der Ausschusssitzung kommende Woche getroffen werden. Das Aufschieben gelingt somit bisher erfolgreich. Am Donnerstag allerdings will die Opposition mithilfe ihrer Minderheitenrechte beschließen, Snowden zu laden. Die Grünen haben angekündigt: Sollte die Bundesregierung das ablehnen, werde man vor das Bundesverfassungsgericht ziehen.