Am 25. Mai will die CSU über 50 Prozent kommen. Mit harter Kritik an Brüssel

Kloster Andechs. Bayern ist größer als Deutschland. Und halb so groß wie Europa. Diesen Eindruck vermittelt zumindest der „Europaplan“ der CSU. Auf dem Deckblatt des Wahlprogramms ist eine Europakarte abgebildet. Das Seehofer-Land erstreckt sich hier von Südschweden bis Norditalien, von der polnischen Ostgrenze bis ins Elsass. Entsprechend selbstbewusst präsentiert sich die CSU bei ihrer zweitägigen Klausurtagung im oberbayerischen Kloster Andechs. „Bester Laune, mit schönsten Gefühlen bei strahlendem Wetter und mit exzellenten Umfragen“ sei er nach Andechs gekommen, verkündet CSU-Chef Horst Seehofer auf halben Weg zum „Heiligen Berg“ und der Benediktinerabtei St. Bonifaz, wo sich die CSU-Spitze zwei Tage lang zusammensetzt, um in einen konzentrierten vierwöchigen Europawahlkampf zu starten.

An dessen Ende will die CSU wieder acht Abgeordnete ins Europaparlament schicken und vielleicht die 50-Prozent-Hürde nehmen. Für Seehofer wäre es die Fortsetzung der Erfolgsserie bei der Bundes- und Landtagswahl. Deswegen setzt er auf sein bewährtes Konzept: „Wir greifen auf, was die Bevölkerung will.“ Das ist vor allem ein latentes Unbehagen und große Skepsis gegenüber der EU und Brüssel. Den Vorwurf, eine populistische, euroskeptische Politik zu machen, der unmissverständlich auch aus der Schwesterpartei CDU kommt, weist Seehofer zurück: „Es ist keine Schande, nach dem Willen der Bevölkerung Politik zu machen.“ Als Willen der Bevölkerung hat die CSU vor allem zwei Kritikpunkte ausgemacht, die bei der Klausurtagung noch einmal in den Mittelpunkt der Beratung gerückt werden: das Bedürfnis nach Volksabstimmungen bei wichtigen Fragen der EU und die Gefahr einer „Armutszuwanderung“ aus den neuen EU-Staaten im Osten.

Die umstrittene Formulierung „Wer betrügt, der fliegt“ fehlt zwar, aber in einem Papier werden nochmals die Forderungen der CSU aufgegriffen. Es soll nochmals „verschärft“ formuliert werden, was die EU verhindern müsse, eine Einwanderung in die Sozialsysteme. Dass sich bereits auf Bundesebene ein Staatssekretärsausschuss mit dem Thema befasst hat, wertet die CSU als ersten Erfolg ihrer Politik. Dort wird das Problem offenbar als weniger dramatisch eingestuft.

Man müsse das Problem angehen, bevor es ein großes Problem werde, entgegnet CSU-Spitzenkandidat Markus Ferber. „Bloß wenn man sagt, was nicht richtig läuft, ist man noch lange nicht europaskeptisch.“ Das Verlangen nach Volksabstimmungen über Europafragen gehört schon seit Jahren zu Seehofers Forderungen – und wird genauso beharrlich von der CDU abgelehnt. Um aber allen Kritikern aus den eigenen Reihen den Wind aus den Segeln zu nehmen, berichtet Seehofer von einem Telefonat mit Angela Merkel, das er wenige Minuten zuvor geführt habe. Dabei hat die Kanzlerin den CSU-Kurs abgesegnet: „Wir arbeiten mit der Kanzlerin und der CDU–Führung bestens zusammen“, sagt Seehofer. Sie wisse um die Dissenspunkte. Der Konflikt ist offenbar kontrolliert: Es gebe keine Verstimmung, betont der CSU-Chef, alles andere sei nicht maßgeblich.

Der Tenor ist der gleiche wie bei allen früheren Europawahlen: Wer will, dass bayerische Interessen in Brüssel vertreten werden, ist bei der CSU am besten aufgehoben. Das Wahlprogramm erinnert dabei an das Muster der früheren Radio-Eriwan-Witze: Dort wurden Fragen der Bürger immer nach dem Muster „Im Prinzip ja, aber...“ beantwortet – und die Aussagen ins Gegenteil verdreht. Im Prinzip bejaht auch die CSU die EU und ihre Leistungen, aber eigentlich muss fast alles anders werden, ist die Botschaft des Wahlprogramms. Dieses Ja-aber-Prinzip stößt sogar in den eigenen Reihen auf Kritik. Denn es stört den proeuropäischen Wahlkampf der Schwesterpartei, wo Angela Merkel als erfolgreiche Managerin der Eurokrise hervorgehoben wird. Entsprechend verschnupft reagierte die CDU: „Wer das Aber zu groß macht, zerstört das Ja“, hatte der CDU-Europaabgeordnete Elmar Brok gesagt.

Dass er aus Sorge vor den kleinen euroskeptischen Konkurrenten von der AfD oder den Freien Wählern so agiere, bestreitet Seehofer. „Sorgen mache ich mir um diesen Wahlkampf überhaupt nicht.“ In Bayern war es der CSU zwar bisher gelungen, die AfD klein zu halten. Aber nach dem Wegfall der Drei-Prozent-Hürde muss die CSU ihre Abgrenzungsstrategie forcieren. In einer aktuellen Bayern-Umfrage des Hamburger GMS-Instituts liegt die AfD bei fünf Prozent, die CSU allerdings auch bei 49 Prozent – also kurz vor ihrem Traumergebnis von „50 plus x“. Die offensive EU-Kritik soll dorthin führen. Es ist in der CSU ein offenes Geheimnis, dass die eigenen Europaabgeordneten mit dem Erscheinungsbild der Partei nicht zufrieden sind. Aber weil Seehofer bislang erfolgreich war, gibt es vor der Wahl am 25. Mai keine Widerrede.