Fünf Länder, fünf SPD-Ministerpräsidenten. Zusammen demonstrieren sie ihre Macht – auch in Berlin. Jetzt wollen sie sich verstärkt um die Verkehrsinfrastruktur kümmern

Hamburg . Fünf Ministerpräsidenten stellt die SPD derzeit im Norden Deutschlands. Kein Land, auch kaum eine Stadt, wo die Genossen nicht den Regierungschef oder den Bürgermeister stellen. Sogar nach heftigsten internen SPD-Querelen wie unlängst im Kieler Rathaus marschiert die Partei noch locker durch. 63 Prozent für den Kandidaten der SPD. In Hannover waren es im vergangenen Jahr sogar 66. Am 25. Mai wird mit großer Wahrscheinlichkeit Braunschweig zurückerobert. Falls irgendjemand einmal gesagt haben sollte, dass die Zeit der politischen Hochburgen vorbei sei: Stimmt nicht. Anders als Berliner Umfragen suggerieren, läuft es zumindest im Norden wie geschmiert für die Sozialdemokraten und ihre Spitzenkräfte.

Dennoch weisen alle fünf norddeutschen Regierungschefs – neben Torsten Albig noch Stephan Weil in Niedersachsen, Jens Böhrnsen in Bremen, Olaf Scholz in Hamburg und Erwin Sellering in Schwerin – jeden weitergehenden persönlichen Ehrgeiz weit von sich. Er habe „zwar politische Ziele in Berlin“, fasst der Hannoveraner Weil die offizielle Meinung der hier Regierenden zusammen, „aber keine persönlichen“. Stattdessen haben sich alle fünf frühzeitig entschlossen, bei der nächsten Landtagswahl ihres jeweiligen Bundeslandes erneut anzutreten. Was danach kommt, wann dieser zurücktreten mag oder jener weiterziehen will ins funkelnde, aber nicht lockende Berlin – kein Kommentar. Es geht ja auch bestens hier oben. Abwahlgefahr ist jedenfalls nirgendwo im Verzug.

Der Erste, der sich dem erneuten Votum der Wähler stellen wird, ist Olaf Scholz bei der Bürgerschaftswahl im Februar 2015. Nach Einschätzung aller Experten und nach Daten aller bisher erhobenen Umfragen kann dabei nichts anderes herauskommen als eine glatte Wiederwahl des Sozialdemokraten. Fraglich ist bestenfalls, ob Scholz dann weiter mit absoluter Mehrheit regieren kann oder ob er einen Koalitionspartner braucht.

Es folgt Jens Böhrnsen in Bremen, an dessen Erfolg bei der Bürgerschaftswahl im Mai 2015 es noch weniger Zweifel gibt als im Fall Scholz. Um das festzustellen, braucht man an der Weser nicht einmal eine Meinungsumfrage. Selbst für einen Wechsel des Koalitionspartners – also von Grün zu Schwarz – bedürfte es hier eines politischen Erdbebens. Hat es in Bremen aber seit Menschengedenken nicht gegeben.

2016 absolviert Erwin Sellering sein Unternehmen Wiederwahl. Im Schweriner Schloss, wo die ansonsten im Norden oppositionelle CDU immerhin noch als Steigbügelhalter der SPD dienen darf, deutet ebenfalls nichts auf einen Wechsel. Das Gleiche gilt in ähnlicher Absolutheit für Kiel und mit Abstrichen für Hannover. Wobei das Wahljahr 2017 in diesen beiden Flächenländern noch in weiter Ferne liegt.

Bis dahin aber gilt, was seit Februar 2013 amtlich ist: Kanzlerin Angela Merkel (CDU) kann im Bund noch so unangefochten sein – aber der Norden wählt rot, die Macht der regierenden Fünferbande ist zementiert. Und allesamt sind fest entschlossen, diesen Umstand jetzt erst einmal zu nutzen. Zum Wohle des jeweiligen Landes selbstverständlich. Jeder für sich und, wenn es sein muss, sogar miteinander. Sie haben das in den vergangenen Monaten schon einmal geübt. Bei den Verhandlungen über den Neustart in der Energiewende haben sich die fünf norddeutschen Länder nicht auseinanderdividieren lassen, obwohl sich ihre Interessen durchaus unterschieden. Niedersachsen und Bremen, die sich vor allem vom Ausbau der Offshore-Windkraft viel versprechen; Schleswig-Holstein, das fast ausschließlich auf die Windkraft an Land setzt. Mecklenburg-Vorpommern hat beides, Hamburg profitiert ohnehin. Man hätte also auch ein Land gegen das andere ausspielen können. Funktionierte aber offensichtlich nicht.

Spätestens seit jenem Sondergipfel der Ministerpräsidenten mit der Kanzlerin Anfang April – bei dem keiner der norddeutschen Protagonisten vorab auch nur den Ansatz einer Lösung der Energiewende-Problematik erwartet hatte – klopfen sich die fünf Nord-Regierungschefs so ausdauernd und kräftig gegenseitig auf die Schulterklappen, dass man es eigentlich auch in Süddeutschland hören können müsste. Einige Auszüge: „Wir haben in den vergangenen Monaten gezeigt, dass wir gemeinsam eine große Wirkung erzielen können.“ „Das Verhandlungsergebnis wäre ein anderes gewesen, wenn die Nordländer nicht so gut kooperiert hätten.“ „Die SPD im Norden ist gut aufgestellt, wir machen authentische Politik in allen fünf Ländern.“ „Unter Freunden und Genossen läuft das Gespräch natürlich noch einmal vertrauter.“ „Das war ein guter Tag für den ganzen Norden.“ „Fakt ist, dass wir im Norden bei diesem Thema sehr eng zusammengearbeitet haben.“

Als Nächstes, auch da sind sich die fünf Regierungschefs einig, will man endlich etwas für die aus ihrer Sicht lange vernachlässigte Verkehrsinfrastruktur im Norden erreichen. 2015 soll der für alle Investitionen maßgebliche neue Bundesverkehrswegeplan vorgelegt werden. A 20, A 21, A 39, ein neuer Elbtunnel zwischen Schleswig-Holstein und Niedersachsen, die bessere Schienenanbindung der norddeutschen Häfen, eine Hinterlandanbindung für die feste Fehmarnbeltquerung, die „Y-Trasse“ durch die Lüneburger Heide, dazu enorme Mittel für die Instandhaltung der bestehenden Verkehrswege – das wird alles dringend gebraucht zwischen Harz und dänischer Grenze.

Hamburgs Erster Bürgermeister Olaf Scholz ist in der Runde der norddeutschen Alphatierchen so etwas wie der Primus inter Pares. Einer, dessen Wort, auch wegen seiner Erfahrung als Bundesminister und SPD-Generalsekretär, „großes Gewicht hat, auch in unserer Runde“, wie Sellering es ausdrückt. Scholz ist derjenige, dessen Name in den Staatskanzleien und Rathäusern im Norden genannt wird, wenn man nach weitergehenden Ambitionen der fünf Akteure fragt. Spätestens seit dem „Nie, nie“ von Hannelore Kraft darf man ziemlich sicher sein, dass auch der nächste SPD-Kanzler ein Norddeutscher sein wird. Olaf Scholz jedenfalls würde ein solch kaum wieder einzufangendes Diktum nicht rausrutschen. Er beantwortet die Frage nach seinen Zukunftsabsichten mit dem schlichten Standardsatz „Ich will unbedingt wieder Erster Bürgermeister werden“. Womit angesichts der Abfolge von Bürgerschafts- und Bundestagswahl überhaupt nichts gesagt ist. „Nie, nie“ würde ein männlicher Machtpolitiker Marke Scholz nie, nie sagen. Weil man schließlich nie, nie wissen kann.