Im NSU-Prozess bezichtigt der Vater eines der zehn Opfer einen Verfassungsschützer als Lügner

München/Hamburg. Es sind die wenigen Momenten, in denen Emotionen brechen mit dem sonst so beharrlichen und mühsamen Befragen der Zeugen. Im NSU-Prozess hat der Vater des ermordeten Halit Yozgat einen ehemaligen Verfassungsschützer der Lüge bezichtigt – und die Zweifel an dessen Glaubwürdigkeit weiter genährt. „Es tut mir leid, T., aber ich glaube dir überhaupt nicht“, sagte Ismail Yozgat vor Gericht zu Andreas T.

Der Verfassungsschützer saß 2006 während des Mordes an Halit Yozgat im hinteren Raum von dessen Internetcafé in Kassel. Seine Anwesenheit sorgt für Spekulationen, zumal er sich nach der Tat nicht als Zeuge gemeldet hatte. Ermittlungen gegen ihn wurden allerdings eingestellt. Die Bundesanwaltschaft geht nicht davon aus, dass er mit dem Mord etwas zu tun hatte. T. bestreite bis heute, von der Tat etwas mitbekommen zu haben – was ihm Ismail Yozgat nicht abnimmt. Die Anwälte von Yozgats Eltern stellten mehrere Beweisanträge. Damit wollen sie zeigen, dass Andreas T. „über exklusives Täter- oder Tatwissen“ verfügt habe. T. habe die Information, dass es sich bei dem Mord um das Werk von Serientätern handle, damals zu einem Zeitpunkt weitergegeben, als diese noch gar nicht über Medien öffentlich verbreitet war.

In der Debatte um Reformen des Geheimdienstes haben sowohl Union als auch Grüne den Druck auf die Bundesländer erhöht. „Es ist wichtig, dass das Bundesamt für Verfassungsschutz in seiner Zentralstellenfunktion gestärkt wird“, sagte CDU-Innenexperte Clemens Binninger dem Abendblatt. Deutschland habe bei den Ermittlungen in der NSU-Mordserie erlebt, wie Sicherheitsbehörden „fast schon in Konkurrenz zueinander standen“. Binninger setze darauf, dass die Länder beim gewaltbereiten Rechtsextremismus bereit sind, Kompetenzen an den Bund abzugeben und bundesweite Standards für V-Leute einzuführen.

Der Grünen-Politiker Hans-Christian Ströbele hebt die Bedeutung des Föderalismus in Deutschland hervor, sieht aber dringenden Reformbedarf bei Informationsaustausch und Zusammenarbeit der Behörden. Ströbele halte „eine Zusammenlegung von VS-Ämtern, solange es sie noch gibt, Berlins und Brandenburgs, aber auch Hamburgs und Niedersachsens oder Schleswig-Holsteins für sinnvoll“. Entlang der Randbezirke der Großstädte würden etwa Neonazi-Milieus nicht an den Landesgrenzen enden – sie „müssen grenzüberschreitend beobachtet werden“.

In einem Bericht, der dem Abendblatt vorliegt, unterstützt der Hamburger Senat die Forderung nach einer „Zentralstellenfunktion“ des Bundesamtes für Verfassungsschutz. Gleichzeitig spricht sich der Senat gegen die Zusammenlegung von Landesämtern aus: „Hamburg hat diese Frage gemeinsam mit Schleswig-Holstein in der Vergangenheit geprüft und skeptisch beurteilt“, heißt es in dem Papier. Bis zur gemeinsamen Konferenz im Oktober 2014 wollen die Nord-Innenminister Pläne für „Kompetenzzentren“ der Verfassungsschutzämter vorlegen sowie „mehrere, für übergreifende Analysen und Konzepte geeignete Themenfelder“, beispielsweise der Austausch mit wissenschaftlichen Einrichtungen.