Mit der EEG-Reform hat der Wirtschaftsminister einen Meilenstein erreicht – womöglich auf dem Weg gen Kanzleramt

Berlin. Entspannt, geradezu gelöst wirkt Sigmar Gabriel (SPD), während er am Dienstagmittag in der Bundespressekonferenz eintrifft. Am Morgen war bekannt geworden, dass Bundesregierung und EU-Kommission sich über die künftigen Industrierabatte bei der Ökostrom-Förderung einig sind. An diesem Vormittag billigt das Bundeskabinett die von Gabriel unterbreitete Novelle des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG). Die mehrfach vertagte, zeitweise vermurkste, von Gabriel immer wieder beschworene Energiewende ist in einen Gesetzentwurf gegossen. „Gut hundert Tage nach Regierungsbeginn“, leitet Gabriel ein, „hat die Bundesregierung heute für einen Neustart der Energiewende in Deutschland gesorgt.“ An Stolz mangelt es Gabriel nicht, so wie er es an Respekt vor dem Riesenprojekt nie hatte mangeln lassen. Und seine demonstrative Zuversicht darf man auch als Beschwörung werten, die weitere Wegstrecke werde man schon meistern.

Die Novelle des EEG sieht Förderkürzungen vor, zudem soll der Ausbau besonders der Windenergie an Land stärker gesteuert werden. Gabriel rechnet damit, dass der Strompreis nun bis mindestens 2017 stabil gehalten werden kann. Die Bürger und der Großteil der Unternehmen zahlen die Förderkosten über den Strompreis mit. Zwar sind die Milliardenentlastungen für jetzt noch 1600 energieintensive Unternehmen noch nicht Teil des Kabinettsbeschlusses – sie werden in einem separaten Gesetz Anfang Mai nachträglich verankert –, doch der entscheidende Schritt ist gegangen. Selbst in der gesetzestechnischen Umsetzung erweist sich die Energiewende, wie Gabriel sagt, als „Synchronisationsaufgabe“.

Gabriel hat mit der EEG-Reform seine – absehbar – größte Aufgabe als Wirtschaftsminister erledigt. Kapazitätsmechanismen, Energieeffizienz, Netzdesign – all dies und mehr ist noch zu regeln, und der Koalitionspartner Horst Seehofer (CSU) konkretisiert schon einmal, wie mühsam sich der Netzausbau gestalten dürfte. Doch das größte Konfliktpotenzial innerhalb der Koalition, mit den Ländern, mit Arbeitgebern, Unternehmen und Ökoverbänden hat Gabriel erst einmal gebannt. Die EEG-Reform ist ein Symbolthema, und Gabriel will sich mit ihr als wirtschaftsfreundlicher Sozialdemokrat beweisen. Nur mit diesem Image, ist er sicher, haben seine Partei und er Chancen, das Bundeskanzleramt eines fernen Tages wieder zu erobern. Dazu ist das EEG 2.0 ein erster Schritt. In den kommenden Wochen wird Gabriel seine Reform kräftig feiern, am Donnerstag spricht er bei den Haushaltsberatungen im Bundestag zu seinem Einzelplan. Im Mai wird er sich in den Europawahlkampf stürzen, da will er für die SPD eine Dividende einfahren.

Nein, sinkende Strompreise habe er nie versprochen, stellt Gabriel klar. Sehr wohl aber sichere der Kompromiss zu den Industrierabatten „Hunderttausende Arbeitsplätze“. Industriepolitik verstand Gabriel seit jeher als Kernanliegen der Sozialdemokratie. Er wird nicht müde, auf den nach wie vor hohen Anteil der Industrie an der Wertschöpfung in Deutschland zu verweisen. „23 Prozent!“, ruft Gabriel am Dienstagmittag, und führt sogleich die erheblich niedrigeren Werte in Frankreich und Italien hin. „Stahl, Kupfer, Chemie“, listet Gabriel die energieintensiven Branchen auf, „Kunststoff, Aluminium-Verhüttung“. Kurz darauf rattert er herunter: „Salzgitter AG, Thyssen, BASF.“ Dem versprengten Rest von Wachstumsskeptikern in der SPD kann das nicht gefallen.

Die Kritik von Verbraucherverbänden weist Gabriel entsprechend brüsk zurück. Wer die Rabatte bei der Ökostrom-Förderung als Erfolg des „internationalen Großkapitals und von ein paar Industrielobbyisten“ beschreibe, der möge doch einmal bitte in die betroffenen Betriebe gehen. „Tausende Arbeitsplätze“ würden so gesichert. Vierzig Euro, hat Gabriel errechnet, kosten die Industrierabatte einen dreiköpfigen Haushalt pro Jahr. Dafür Arbeitsplätze aufs Spiel zu setzen, „das sei nicht Auffassung der Bundesregierung.“ Ostentativ lobt er Kanzleramtsminister Peter Altmaier und Bundeskanzlerin Angela Merkel (beide CDU), wohlgemerkt in dieser Reihenfolge. Beide hätten an der EEG-Reform ihren Anteil, ebenso die anfangs ziemlich kratzbürstigen und dann von Gabriel in der vorigen Woche finanziell besänftigten Bundesländer.

In puncto Netzausbau hält sich Gabriel mit Kritik an seinem „Freund“ Seehofer zurück, und schwingt doch die bundespolitische Peitsche. Gewiss, man werde die teure Erdverkabelung erleichtern, sagt der Minister. Das werde schon einmal „eine Menge Dampf rausnehmen“. Es helfe jetzt aber nicht, nun „regional“ zu agieren. Die Weiterleitung von Windenergie gen Süden, mithin der Stromtrassenbau, sei erforderlich zugunsten einen „verlässlichen, sicheren, bezahlbaren Energieversorgung für ganz Deutschland“.

Ob denn die EEG-Umlage sinken werde, wird Gabriel gefragt. Da demonstriert der Minister, dass noch die beste und schnellste Gesetzesarbeit nicht alles zu regeln imstande ist. „Das hängt“, sagt Gabriel, „vom Wetter im Sommer ab. So ist es bei erneuerbaren Energien. Wir gucken uns das Ende September dann einmal an.“