Der Finanzminister vergleicht die Krim-Krise mit der Situation der Sudeten im Jahr 1938 und sieht auch Parallelen zwischen Putins und Hitlers Vorgehen. Die Kanzlerin nicht.

Berlin. Wie erklärt man die Ukraine-Krise so, dass sie Schüler verstehen? Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) hat es bei einer Veranstaltung mit Berliner Schülern mit einem historischen Vergleich versucht – und dabei Parallelen zwischen der aktuellen Lage und der 1938 von Nazi-Deutschland teilweise annektierten Tschechoslowakei gezogen.

„Wir müssen schauen, dass die Ukraine nicht völlig zahlungsunfähig wird“, erklärte der Finanzminister zunächst. Wenn die Regierung in Kiew die Polizei nicht mehr bezahlen könne, „dann nehmen natürlich irgendwelche bewaffnete Banden die Macht in die Hand“, warnte er: „Dann sagen die Russen, das geht gar nicht, jetzt haben wir irgendwelche Faschisten an der Regierung, die bedrohen unsere russische Bevölkerung.“ Eine solche Situation könne Russland dann zum Anlass nehmen, um zu sagen: „Jetzt müssen wir sie schützen, das nehmen wir zum Grund, um einzumarschieren.“ Mit Blick auf dieses Szenario folgte dann Schäubles Exkurs in Deutschlands Vergangenheit: „Das kennen wir alles aus der Geschichte. Mit solchen Methoden hat schon der Hitler das Sudetenland übernommen – und vieles andere mehr“, sagte er – ohne Russlands Präsidenten Wladimir Putin namentlich zu nennen. Hitler hatte die Zerschlagung der Tschechoslowakei und die Eingliederung des Sudetenlandes in das Deutsche Reich mit dem Schutz der dort lebenden drei Millionen Deutschen begründet.

Die Äußerungen Schäubles lösten just eine Debatte aus - in der der Zentralrat der Juden in Deutschland den Minister verteidigte. Schäuble habe „ausdrücklich gesagt, dass er Russland mit niemandem vergleichen wolle“, sagte Zentralratspräsident Dieter Graumann am Montag dem Portal „Handelsblatt Online“. „Ich habe keinen Zweifel, dass ein Mann von der politischen Statur des Finanzministers das auch genau so meint“, ergänzte er.

Einen Vergleich zwischen Russland und dem NS-Regime lehnte Schäuble in der Tat ab. „Und deshalb müssen wir den Russen sagen, wir vergleichen Euch mit niemand, aber Ihr müsst wissen, das geht nicht, wir müssen das anders lösen“, sagte der Minister nach Angaben seines Ministeriums. „Sollte der Eindruck entstanden sein, der Minister hätte den russischen Präsidenten mit Hitler verglichen, so wäre dies falsch“, hieß es in einer Erklärung.

Graumann sagte, Hitler und das Naziregime und deren „gnadenlose Brutalität“ blieben in ihrer „teuflischen Boshaftigkeit“ gewiss einmalig in der Geschichte. „Bei aller verständlichen Kritik am russischen Vorgehen auf der Krim“ verböten sich „derartige Gleichsetzungen schon allein deshalb, weil schließlich Russland seinerzeit Opfer des Nazi-Faschismus war“. „Daher sollten wir alle die historischen und moralischen Maßstäbe nicht ganz aus den Augen verlieren“, sagte Graumann.

Merkel äußert sich zurückhaltender

Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) empfing am Montag Schüler. Sie äußerte sich verhaltener als ihr Finanzminister: „Es darf dieses Entweder-oder nicht geben“, sagte sie. „Russland hat viel zu sehr noch diesen Blick: Die Ukraine gehört zu mir oder die Ukraine gehört zu Europa. Diesen Unterschied müssen wir überwinden.“ Das Vernünftigste sei, wenn nicht nur die Ukraine, sondern auch Russland näher an Europa heranrücke, sagte Merkel. Die Friedensordnung in Europa beruhe darauf, dass über Territorien nicht mehr gestritten werde.

Die Lage um die Ukraine selbst scheint sich etwas zu entspannen. Russland zieht nach Angaben des ukrainischen Verteidigungsministeriums Soldaten von der gemeinsamen Grenze ab. Wie umfangreich die Truppenbewegungen seien, könne nicht festgestellt werden, sagte Generalmajor Olexander Rosmasnin in Kiew. Es sei auch nicht auszuschließen, dass es sich nur um einen Truppenaustausch handele und die Zahl der Soldaten nicht verringert werde. Russland hatte im Zuge der Krim-Krise seine militärische Präsenz an der Grenze massiv aufgestockt.