SPD-Minister legen Leitlinien für Gesetzentwurf vor: Aufsichtsratsmandate sollen weiblich besetzt werden – oder gar nicht

Berlin. Justizminister Heiko Maas und Familienministerin Manuela Schwesig (beide SPD) haben die Kernpunkte für ein „Gesetz für die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen und Männern in Führungspositionen in der Privatwirtschaft und im öffentlichen Dienst“ vorgestellt. Diese heißen offiziell etwas vage „Leitlinien“, sind aber sehr konkret. Auch der Zeitplan ist konkret. „Ziel ist ein Inkrafttreten des Gesetzes in 2015“, heißt es in dem Eckpunktepapier. Die neue Regelung soll ab Januar 2016 angewandt werden. So sieht es auch der Koalitionsvertrag vor. In ihm hatten sich Union und SPD darauf geeinigt, dass Aufsichtsräte „von voll mitbestimmungspflichtigen und börsennotierten Unternehmen, die ab 2016 neu besetzt werden“ eine „Geschlechterquote von mindestens 30 Prozent“ aufweisen sollen.

Ab 2016 müsste zunächst jeder Posten, der neu zu besetzen ist, so lange mit einer Frau aufgefüllt werden, bis 30 Prozent Frauenanteil im jeweiligen Aufsichtsgremium erreicht ist. Von der Regelung werden, so die Schätzung, rund 120 Unternehmen betroffen sein. Sie gilt sowohl für die Seite der Arbeitnehmer als auch für die der Anteilseigner. Bestehende Mandate müssen aber nicht „frei gemacht“ werden. Sie sollen bis zum regulären Ende laufen können.

Bei der Besetzung soll immer zur nächsten vollen Personenzahl aufgerundet werden. Ein Beispiel: Der Aufsichtsrat einer vom Gesetz betroffenen Gesellschaft hat 16 Mitglieder; davon stammt die Hälfte aus der Arbeitnehmerschaft, die andere sind Anteilseigner. 30 Prozent ergibt für beide Seiten 2,4. Also müssten sowohl Arbeitnehmer als auch Anteilseigner aufgerundet jeweils drei Frauen in ihren Reihen vorweisen können. Auch die im Koalitionsvertrag angekündigte Sanktion wird ausformuliert: Wird die erforderliche Zahl an Frauen nicht gestellt, so bleibt der neu zu besetzende Posten ein „leerer Stuhl“ – also unbesetzt. Voraussetzung dafür ist, dass die „Nichtigkeit“ der Wahl eines Aufsichtsratsmitglieds festgestellt wird, weil diese die geforderte Mindestquote nicht erfüllt.

Doch nicht nur für die Aufsichtsräte gibt es Auflagen: Börsennotierte und mitbestimmungspflichtige Unternehmen sollen ab 2015 gesetzlich verpflichtet werden, sich „verbindliche Zielgrößen“ für die Erhöhung des Frauenanteils im Vorstand und in den beiden Führungsebenen unterhalb des Vorstands zu geben. Betroffen wären davon rund 3500 Unternehmen. Diese ersten Zielgrößen sollen noch innerhalb dieser Legislatur erreicht werden und dürfen nicht nachträglich nach unten korrigiert werden. Außerdem müssen sie veröffentlicht werden.

Allerdings sind die Vorgaben nicht ganz so rigide wie die Quote. So heißt es in dem Dokument: „Bei der Bemessung der Zielgröße kann die Repräsentanz von Frauen in Managementpositionen im Unternehmen und in der Branche berücksichtigt werden.“ Im Klartext: Man kann von Branchen, in denen prozentual wenig Frauen arbeiten, nicht verlangen, dass deren Anteil in den Führungspositionen 30 Prozent beträgt. Auch die angedrohten Sanktionen fallen milder aus. Wer das vorgegebene Ziel nicht erreiche, müsse darlegen, warum er es verfehlt habe. Bei fehlerhaften Angaben könne die Entlastung der Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder verweigert werden. Das entspricht weitgehend der Flexiquote, die Ex-Familienministerin Kristina Schröder (CDU) in der vergangenen Legislaturperiode eingeführt hatte.

Der dritte Teil der Leitlinien befasst sich mit der Anpassung des Bundesgleichstellungsgesetzes: Damit soll die peinliche Situation vermieden werden, dass die Regierung der Wirtschaft Standards abverlangt, die im öffentlichen Dienst des Bundes nicht eingehalten werden. So soll alle vier Jahre ein Gleichstellungsplan veröffentlicht werden, in dem Ziele zur Erhöhung des Frauenanteils „auf jeder einzelnen Vorgesetzten- und Führungsebene“ festgelegt werden sowie Maßnahmen, wie diese erreicht werden können.

Auch hier soll es Unterschiede zwischen den Branchen geben: In Schifffahrtsdirektionen könnte die Zielvorgabe für die Unterabteilungen bei einem Frauenanteil von 20 Prozent liegen. Im Familienministerium könne man den Frauenanteil in den Führungspositionen hingegen bei 40 Prozent festlegen. Damit wird deutlich, dass Schwesig und Maas den Eindruck vermeiden wollen, mit ihrem Quotenvorstoß weltfremde Forderungen aufzustellen. Besänftigen dürfte das die Kritiker kaum.

Im Vorfeld der Vorstellung hatte es erneut heftige Kritik an dem Vorhaben gegeben. Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) lehnt die geplante Quote strikt ab. „Mit der Frauenquote von 30 Prozent greift die Politik zunächst in die Personalentscheidungen der Aktionäre großer Unternehmen ein“, sagte DIHK-Präsident Eric Schweitzer der „Passauer Neuen Presse“. Nach Angaben des Vereins Frauen in die Aufsichtsräte (FidAR) beträgt der Frauenanteil in Aufsichtsräten aktuell 17,2 Prozent. Auf der Anteilseignerseite liegt der Frauenanteil im Verhältnis zum Gesamtaufsichtsrat bei 8,1 Prozent, der Anteil der Arbeitnehmervertreterinnen im Verhältnis zum Gesamtaufsichtsrat bei 9,1 Prozent.

Linksfraktions-Chef im Bundestag, Gregor Gysi, lobte den Gesetzesvorstoß als wichtigen ersten Schritt. „Die erste gesetzliche Regelung ist immer ein Türöffner“, sagte Gysi dem Abendblatt. Aber der Entwurf für eine Frauenquote betreffe nur 120 Unternehmen. Vieles sei zudem nur freiwillig. „Eigentlich brauchen wir 50 Prozent, und das Schritt für Schritt durchgehend.“