In West und Ost dritthöchste Anhebung seit 2003. Mehrheit befürwortet Rentenpaket – aber die wenigsten rechnen mit Vorteilen für sich selbst

Berlin. Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) sprach von einer guten Nachricht für die über 20 Millionen Ruheständler. „Die Renten folgen den Löhnen – das hat sich über Jahrzehnte bewährt und ist eine Stärke unseres Rentensystems“, sagte sie am Donnerstag in Berlin, als sie die Rentensteigerungen dieses Jahres bekannt gab. Die Anhebung im Westen falle geringer aus, „weil wir Wort halten und die Lasten der Rentengarantie während der schweren Wirtschaftskrise nicht der jungen Generation aufbürden, sondern die Kosten letztmals mit der Rentensteigerung verrechnen“.

Tatsächlich können die rund 20 Millionen Rentner in Deutschland zum 1. Juli mit einer realen Einkommensverbesserung rechnen. Nach einer Mini-Erhöhung um 0,25 Prozent im vorigen Jahr werden die Renten für die gut 16,6 Millionen Ruheständler im Westen Deutschlands nun um 1,67 Prozent angehoben, wie Arbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) am Donnerstag ankündigte. Im Osten steigen sie um 2,53 Prozent, nach 3,29 Prozent im Vorjahr. Ein Rentner mit derzeit 1000 Euro hat demnach ab 1. Juli im Westen knapp 17 Euro und im Osten etwa 25 Euro mehr auf dem Konto. Angesichts einer erwarteten Preissteigerung von etwa 1,5 Prozent wäre das für alle Rentner eine leichte Erhöhung der Kaufkraft. Sowohl im Westen als auch im Osten ist das die dritthöchste Rentenanpassung der zurückliegenden zehn Jahre. In diesen Jahren gab es auch vier Nullrunden für die Rentner.

Der Sozialverband SoVD kritisierte dennoch, dass der Verlust an Kaufkraft der vergangenen Jahre nicht ausgeglichen werde. „Das Plus ist erfreulich, jedoch bleibt Handlungsbedarf für höhere Anpassungen bestehen“, sagte SoVD-Präsident Adolf Bauer.

Der Anstieg fällt im Osten höher aus, weil sich dort die Löhne besser entwickelt haben. Im Westen werden zudem letztmals unterbliebene Rentenkürzungen der Vorjahre nachgeholt. Positiv für die Rentenanpassung ist auch, dass der Beitragssatz zur Rentenversicherung im vergangenen Jahr von 19,6 auf 18,9 Prozent gesenkt wurde. Dies erhöht mit einem Jahr Verzögerung die Rentenzahlungen. In diesem Jahr kommt zudem erstmals die dämpfende Wirkung des sogenannten Riesterfaktors, der die zusätzlichen Aufwendungen von Arbeitnehmern zur privaten Altersvorsorge berücksichtigt, nicht mehr zur Geltung.

Da die Renten im Osten stärker steigen als im Westen, kommt auch die Rentenangleichung voran. Ein Rentenpunkt im Osten entspricht ab 1. Juli dann 92,2 Prozent statt bisher 91,5 Prozent des Werts im Westen. Der Rentenwert beträgt dann im Osten 26,39 Euro und im Westen 28,61 Euro. Ein Durchschnittsverdiener sammelt jedes Jahr einen Rentenpunkt. Seine monatliche Rente läge ab Juli nach 45 Beitragsjahren im Osten bei 1187,55 Euro und im Westen bei 1287,45 Euro.

Insgesamt haben die Deutschen ein zwiespältiges Verhältnis zur Rentenpolitik. Zwar dürfte bei vielen von ihnen die Rentenerhöhung auf Zustimmung stoßen: Einer Umfrage zufolge begrüßt ein Großteil der Bevölkerung Leistungsverbesserungen, die den Älteren zugutekomme. Zugleich registrieren sie sehr wohl, dass es dadurch zu einer Benachteiligung der jüngeren Generation kommen kann. Das geht aus einer Umfrage des Allensbach Instituts hervor, die am Donnerstag in Berlin veröffentlicht wurde. Danach glaubt jeder Zweite, dass sich das heutige Niveau der Sozialleistungen nicht halten lässt. Zwei Drittel sagen, das Rentenpaket der Großen Koalition belaste die junge Generation.

Gleichzeitig kommen aber die Pläne der Regierung gut an. Rund 60 Prozent befürworten jeweils die Erhöhung der Mütterrenten und die Rente mit 63. Dass die Renten von Geringverdienern aufgestockt werden, halten zwei Drittel der Bürger für besonders wichtig. Dieses Vorhaben hat die schwarz-rote Koalition indes ans Ende der Legislaturperiode verschoben. Die Erhöhung der Mütterrenten und die Rente mit 63 werden gegenwärtig vom Bundestag und Bundesrat beraten und sollen zum Juli dieses Jahres in Kraft treten.

Die hohe Zustimmung zum Rentenpaket steht auch im Widerspruch zu den persönlichen Erwartungen. Knapp die Hälfte der Bürger (45 Prozent) rechnet nicht mit Auswirkungen auf die eigene Rente. Ein Viertel erwartet eher Nachteile, nur 14 Prozent glauben zu profitieren. Das sind insbesondere die heute 45- bis 59-Jährigen. Die Jüngeren rechnen zu mehr als einem Drittel persönlich mit Nachteilen. Drei von vier unter 30-Jährigen sagen, dass die Rentenpolitik gegen die Interessen der jungen Generation geht. Fast 80 Prozent gehen davon aus, dass die Renten der Jüngeren niedriger ausfallen werden. Zwei Drittel halten sie aber auch heute schon für zu niedrig.

Die Geschäftsführerin des Allensbach Instituts, Renate Köcher, sprach von einem „ambivalenten Stimmungsbild“ in der Bevölkerung, insbesondere vor dem Hintergrund, dass in den vergangenen zehn Jahren das Bewusstsein für die Benachteiligung der jungen Generation gewachsen sei. Dass das Rentenpaket der SPD nütze, die es vorangetrieben hat, sei indes nicht zu erkennen, ergänzte Köcher.

Die repräsentative Umfrage wurde im Auftrag der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft im Februar dieses Jahres erhoben. Die Initiative, die von Arbeitgeberverbänden finanziert wird, lehnt das Rentenpakt ab. Gefragt wurden die Bürger auch nach ihrer Meinung zur Arbeitsmarktpolitik der Regierung. Die Einführung eines Mindestlohns befürworten 56 Prozent. 80 Prozent erwarten keine oder nur begrenzte Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt. Dass durch den Mindestlohn viele Arbeitsplätze gefährdet sind, glauben nur neun Prozent. Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) hatte den Gesetzentwurf über einen Mindestlohn von 8,50 Euro für Arbeitnehmer über 18 Jahre am Mittwoch in die regierungsinterne Abstimmung gegeben.