Christo Brand bewachte den südafrikanischen Freiheitskämpfer. In Hamburg erzählt er, wie in der Haft eine Freundschaft zwischen ihnen wuchs

Hamburg. 340 Gramm Maisbrei, ohne Zucker, dazu einen Becher Kaffee. Das war Nelson Mandelas Frühstück, mehr gab es nicht, zwei Jahrzehnte lang. Vor dem Essen liefen die Gefangenen auf Robben Island auf den Hof. Die Wärter kontrollierten die Uniformen der Häftlinge, sie prüften, ob der Bart rasiert war. Danach beteten alle das Vater Unser. „Unser täglich Brot gib uns heute.“ Jeden Morgen. Aber für Mandela gab es kein Brot. Das bekamen auf der Gefängnisinsel vor der Küste Afrikas nur indische Gefangene und jene, mit hellerer Hautfarbe. Das Essen war streng nach „Rasse“ getrennt. Wie vieles im weißen Apartheidsregime im Südafrika des 20.Jahrhunderts.

Christo Brand, ein weißer Bauernsohn, war 18 Jahre alt, als er Mandela das erste Mal begegnet. Mandela, den die weißen Gefängnisbeamten einen „Terroristen“ nannten. Mandela, der für die Schwarzen in Südafrika ein Freiheitskämpfer war, ihr Anführer im Kampf gegen die Unterdrückung, und der zu lebenslanger Haft verurteilt wurde. Und der junge Christo Brand war Mandelas Gefängniswärter.

In den 27 Jahren Haft in mehreren Gefängnissen war Brand dem späteren ersten schwarzen Präsidenten Südafrikas so nah wie kaum ein Mensch. Brand sitzt auf einem Sofa in einem Hamburger Hotel. Er hat ein Buch geschrieben über die Zeit auf Robben Island. „Mandela. Mein Gefangener, mein Freund“ heißt es und erscheint nun im Residenz Verlag. Gerade kommt er aus London von einer Lesereise. Im Dezember starb Mandela. Die Welt trauerte um „Madiba“, so war der Name seines Clans. Und die Welt hält ihn nun mit Büchern und Filmen am Leben.

Vor allem eine Geschichte erzählt Brand jetzt seinem Publikum immer wieder. Die von ihm, Mandela und dem Baby. Als politischer Gefangener war Mandela isoliert. Er durfte nur alle paar Monate Besuch empfangen, für eine halbe Stunde, getrennt durch eine Wand mit einem kleinen Fenster. Briefe an Mandela fingen die Sicherheitskräfte ab. Doch einmal gelang es der damaligen Frau von Mandela, Winnie, mit der Enkeltochter ins Gefängnis zu kommen. Brand wies sie an, das Baby im Warteraum zu lassen. Dass Mandela es sieht, war verboten. Winnie flehte ihn an. Auch Mandela bat um einen Moment mit der Kleinen. Und Brand fand einen Weg, dass er seine Enkeltochter in den Armen halten konnte – unbemerkt von anderen Wachen. „Er küsste das Baby, und ich sah Tränen in seinen Augen. Wir standen beide stumm da. Eine halbe Minute verging, dann wusste er, dass er mir das Baby wiedergeben musste. Keiner von uns sprach es aus, aber uns war klar, dass niemand davon erfahren durfte“, erzählt Brand.

Über die Jahre in Haft wuchs eine Nähe zwischen Brand und seinem Gefangenen. Mandela fragte ihn nach seiner Familie, sie plauderten auf dem Hof, wenn es unbemerkt die Chance dazu gab. Brand steckte ihm Schokolade zu, er berichtete von der Post, die er hätte bekommen sollen, die aber von den Wachen verbrannt wurde. Das Vertrauen zwischen beiden wuchs. „Eine Freundschaft“, sagt Brand. Als der Apartheidsstaat ihn für Robben Island rekrutierte, war Brand jung und naiv. Er kannte weder Mandela noch seine Bewegung, den ANC. „Mein Vater sagte mir früher, dass Hautfarbe nicht wichtig ist“, erzählt er. Und Brand verstand nicht, was dieser 60 Jahre alte Mann getan haben sollte, dass sie ihn einen Terroristen schimpften. Also las er alte Zeitungsartikel und Mandelas Haftakte. Brand war Teil des rassistischen Regimes, als Wächter sogar eine wichtige Stütze. Aber er fand Wege, das Regime zu unterwandern. „Für die Menschlichkeit“, so sagt er es heute.

In der Lounge des Hotels zeigt Brand Fotos von den Besuchen bei Mandela nach seiner Freilassung. Immer wieder trafen sich die beiden, redeten miteinander. Mandela habe die Freundschaft nie vergessen, sagt Brand.

Auch nach Mandelas Tod herrscht in Südafrika heute noch immer eine Ungleichheit zwischen Schwarzen und Weißen. Zwar sei die Rassentrennung in Parks oder in Bussen längst weg, aber der Reichtum gehöre immer noch einer weißen Elite, sagt Brand. Manche kritisieren Mandela dafür, dass er den Weißen zu viele Zugeständnisse gemacht habe – und die Apartheid nie ganz beseitigen konnte. Brand entgegnet, dass Mandela immer alle Gruppen Südafrikas im Blick hatte. „Er hat einen Bürgerkrieg in unserem Land verhindert.“

Mandela ist heute Symbol für das Gerechte und Gute. Eine Ikone, die er selbst nie sein wollte. In Südafrika häufen sich Souvenirs und Statuen des Freiheitskämpfers. Sogar ein Einkaufszentrum ist nach ihm benannt. Bücher erscheinen, Filme laufen. „Ich will Mandela nicht vermarkten“, sagt Brand. Mandela selbst habe ihn gebeten, diese Erinnerungen an die Zeit in Haft aufzuschreiben. Eine Erinnerung an eine Freundschaft, zwischen Schwarzen und Weißen. Ein Beispiel für das Gute.