Ermittlungen gegen Mitarbeiter wegen Kinderporno-Verdachts. Untersuchungsausschuss immer wahrscheinlicher

Berlin. Der in der Edathy-Affäre unter Druck geratene Chef des Bundeskriminalamts (BKA) lehnt einen Rücktritt ab. „Ich habe offen und ehrlich alle informiert“, sagte Jörg Ziercke am Wochenende. „Wir haben absolut korrekt gehandelt.“ Der 66-Jährige wird sich aber wohl vor einem Untersuchungsausschuss des Bundestages rechtfertigen müssen.

Grüne und Linke wie auch ein Teil der Union reagierten am Wochenende empört darauf, dass der BKA-Präsident bei zwei Befragungen im Innenausschuss die Kinderporno-Ermittlungen gegen einen hochrangigen Mitarbeiter seiner Behörde nicht erwähnte. Die Grünen forderten Zierckes Rücktritt. Die Linke rief ihn auf, sein Amt bis zur Aufklärung der Vorwürfe ruhen zu lassen.

Das Bundeskriminalamt hatte die Ermittlungen gegen einen Beamten bestätigt. Dieser stand auf derselben Liste mit Käufern von Kinder-Nacktfotos, auf der auch der Name des SPD-Politikers Sebastian Edathy auftauchte. Aufgefallen war der Name des Mitarbeiters laut BKA einer Kollegin am 10. Januar 2012 bei einer „Grobsichtung“. Ende desselben Jahres wurde gegen ihn Strafbefehl erlassen. Laut Spiegel Online konnte der Mann durch eine Zahlung von 10.000 bis 20.000 Euro einen Prozess vermeiden.

Auch wenn bei den Befragungen im Innenausschuss nicht konkret nach einem BKA-Mitarbeiter gefragt worden sei, könne Ziercke nicht verborgen geblieben sein, dass die Mitglieder etwas zu Auffälligkeiten in der Namensliste hätten wissen wollen, sagte der Vorsitzende des Ausschusses, Wolfgang Bosbach. „Deshalb hätte uns Herr Ziercke diese wichtige Information von sich aus mitteilen müssen.“ Auch der innenpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Stephan Mayer, sagte, spätestens in der Sitzung hätte Ziercke den Fall offenlegen müssen. Der BKA-Präsident habe sich in „eklatante Widersprüche“ verstrickt.

BKA-Chef Ziercke argumentiert, er könne nur über Dinge informieren, zu denen er auch gefragt werde und die im zeitlichen Zusammenhang mit dem Fall Edathy stünden. Forderungen nach seinem Rücktritt sehe er gelassen entgegen. Innenminister Thomas de Maizière habe ihm das Vertrauen ausgesprochen. Das Ministerium, dem das BKA untersteht, wollte sich nicht äußern. Laut Ziercke war der Beamte nur während einer Phase verdeckter Ermittlungen noch beim BKA beschäftigt, seit einer Hausdurchsuchung im April 2012 aber nicht mehr.

CSU-Innenexperte Mayer sagte, der Vorgang lasse ihn zweifeln, ob der Name Edathy nicht schon vor Herbst 2013 auf der Liste erkannt worden sei. Offenbar sei die Liste schon vorher kursorisch durchgesehen worden.

Auch Linken-Fraktionschef Gregor Gysi bezeichnete es als höchst unglaubwürdig, dass der Fall Edathy erst Ende 2013 bekannt geworden sei. Ähnlich äußerte sich Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt. „Das Maß an Ungereimtheiten ist voll. Das Vertrauen in den BKA-Präsidenten ist tief erschüttert“, sagte sie der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“. Ein Untersuchungsausschuss müsse „dem Vertuschen und Verheimlichen“ ein Ende setzen. Politiker der Regierungsparteien Union und SPD kündigten ebenfalls an, sie würden sich einem solchen Ausschuss nicht verschließen.

„Wenn die Opposition jetzt den Bedarf sieht, in dieser Angelegenheit einen Untersuchungsausschuss einzurichten, dann werden wir uns dem nicht verschließen“, sagte der Parlamentsgeschäftsführer der Unionsfraktion, Michael Grosse-Brömer (CDU). Ähnlich äußerten sich Vertreter der SPD-Fraktion. Ein solcher Ausschuss sei inzwischen „unumgänglich“ geworden, erklärte auch Linksfraktionschef Gregor Gysi.

Justizminister Heiko Maas (SPD) warnte allerdings davor, die Arbeit der Ermittler in der Affäre in Zweifel zu ziehen. „Ich habe großes Vertrauen in die Sicherheitsbehörden“, sagte er der „Welt am Sonntag“. „Durch bloße Spekulationen lässt sich das nicht erschüttern. Wir sollten abwarten, bis alles aufgeklärt ist.“ Maas wandte sich auch gegen den Vorwurf, die Staatsanwaltschaft sei übereifrig gewesen. „Schon die Zahlen widerlegen, dass unsere Staatsanwälte bevorzugt Prominente ins Visier nehmen.“

Ziercke hatte vor zwei Wochen berichtet, dass die Kundenliste im Oktober 2011 beim BKA angekommen sei. Die Behörde habe aber wegen eines anderen Falls erst Mitte 2012 mit der Bearbeitung beginnen können. Insgesamt hätten 500 der Kunden eindeutig strafbares kinderpornografisches Material bezogen. Diese Fälle seien zuerst bearbeitet worden sei. Darunter befand sich auch der BKA-Mitarbeiter.

Der Name des SPD-Abgeordneten Edathy tauchte dagegen unter 300 Namen von Kunden auf, die weniger brisante Fotos und Videos erstanden hatten. Dieser Teil der Liste war im Oktober vergangenen Jahres an die Landeskriminalämter weitergereicht worden. Erst der niedersächsischen Polizei fiel nach Darstellung des BKA dann auf, dass es sich bei Edathy um den Abgeordneten handelte.

Auch Innenminister Thomas de Maizière (CDU) stellte sich hinter Ziercke und verteidigte die lange Dauer der Kinderpornografie-Ermittlungen im BKA. Insgesamt sei im Internet eine „solche Explosion von Daten entstanden, denen kann nicht so ohne Weiteres und nur nach und nach die Polizeistruktur nachkommen“, sagte de Maizière im Deutschlandfunk.