Kaufkraft ist seit der letzten Erhöhung gesunken. Streit über Erhöhung in der Koalition. Die SPD will lieber Geld für Kinderzuschlag und Kitas ausgeben

Berlin. Schlechte Nachrichten für Eltern: Seit der letzten Erhöhung hat das Kindergeld 5,4 Prozent an Kaufkraft verloren. Das macht bei 184 Euro rund 9,95 Euro im Monat aus. Dies geht aus einer Anfrage der Linksfraktion im Bundestag an das Statistische Bundesamt hervor. Die Zahl ist nicht ohne Brisanz: Erst Ende Januar soll sich Familienministerin Manuela Schwesig (SPD) dafür ausgesprochen haben, auf eine Erhöhung des Kindergeldes zu verzichten und stattdessen den Kinderzuschlag für Geringverdiener anzuheben. Dabei wäre eine Erhöhung des Kindergeldes eigentlich geboten.

„Die jahrelange Nichtanpassung des Kindergelds ist eine versteckte Steuererhöhung für die Mitte“, sagte der Linken-Bundestagsabgeordnete Klaus Ernst. Er sieht keinen Spielraum für die Bundesregierung. Wenn sie den Kinderfreibetrag anhebe, müsse auch das Kindergeld steigen. „Das ist geltende Beschlusslage des Bundestags“, sagte Ernst. „Alles andere ist Rechtsbruch. Wir plädieren für einen großen Erhöhungsschritt auf 200 Euro.“ Das Kindergeld war zuletzt zum 1. Januar 2010 erhöht worden. Damals stieg es für das erste und zweite Kind von 164 Euro auf 184 Euro monatlich, für das dritte Kind von 170 Euro auf 190 Euro und für alle weiteren Kinder von 195 Euro auf 215 Euro. Eigentlich müsste das Kindergeld nun wieder leicht erhöht werden: Um das verfassungsrechtlich vorgeschriebene Existenzminimum von Kindern sicherzustellen, sollten die Kinderfreibeträge Anfang des Jahres um 72 Euro steigen. Dies hatte die Bundesregierung 2012 festgestellt und versprochen, das Thema frühzeitig anzugehen. Das wurde jedoch nicht in die Tat umgesetzt. Union und SPD müssen diesen Schritt nun rückwirkend zum Jahresbeginn 2014 nachholen.

Bei einer Anhebung des Kinderfreibetrags müsste auch das Kindergeld leicht steigen, da die beiden Instrumente miteinander zusammenhängen. „Bei einer Anhebung der Freibeträge für Kinder um 72 Euro müsste das Kindergeld um knapp zwei Euro im Monat für jedes Kind steigen, damit die Einkommen, bei denen beide Instrumente zu einer gleich hohen Entlastung führen, annähernd unverändert bleiben“, teilte die Bundesregierung Ende vergangenen Jahres auf eine Anfrage der Linkspartei-Fraktion mit. Eltern würden für ihre ersten zwei Kinder also künftig 186 Euro Kindergeld bekommen.

Allerdings wäre die Anhebung des Kindergeldes nicht ganz billig. Zwei Euro mehr Kindergeld würden den Staat jährlich 425 Millionen Euro kosten, 186 Millionen Euro davon entfielen auf den Bund. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) würde die Zusatzausgaben gerne vermeiden. Und die SPD würde anstelle einer Kindergeld-Erhöhung lieber Geld in den Ausbau von Kita-Plätzen stecken. Das Problem dabei ist nur: Würde die Koalition auf die Erhöhung des Kindergeldes verzichten und nur die Freibeträge anheben, würden davon ausschließlich Besserverdienende profitieren.

Ende Januar wurde dann bekannt, dass Familienministerin Schwesig in Meseberg erwogen haben soll, das Kindergeld zwar nicht zu erhöhen, das eingesparte Geld aber dazu verwenden zu wollen, den Kinderzuschlag für Geringverdiener um 20 Euro auf bis zu 160 Euro anzuheben. Der Kinderzuschlag kommt Familien zugute, die mit ihrem Einkommen nicht das Niveau der Bezüge erreichen, die ihnen aus dem Arbeitslosengeld II zustehen. Schwesig sieht die Erhöhung des Kinderzuschlags für Geringverdiener gemeinsam mit der Einführung eines Mindestlohns von 8,50 Euro als ein probates Mittel, Familien aus der Sozialhilfe zu holen.

Offiziell bestreitet das Familienministerium inzwischen, dass es solche Überlegungen gegeben habe. Formal ist es ohnehin nur für den Kinderzuschlag zuständig, das Kindergeld fällt in den Bereich des Finanzministeriums. Dort heißt es nur lapidar, die Prüfung dieses Themas sei noch nicht abgeschlossen. Hinter den Kulissen wird in der Großen Koalition, aber auch innerhalb der SPD noch um das richtige Konzept gerungen. Erwogen wird auch, ob es nicht doch eine Möglichkeit gibt, den Kinderfreibetrag zu deckeln. „Ich warne davor, das eine Instrument gegen das andere auszuspielen“, sagte der familienpolitische Sprecher der SPD im Bundestag, Sönke Rix: „Wir müssen Wege finden, dass wir nicht diejenigen noch mehr bevorteilen, die ohnehin schon ein hohes Einkommen haben.“

Im Jahr 2012 hat der Staat rund 33,4 Milliarden Euro Kindergeld ausgezahlt. Die Leistung für Eltern steht allerdings immer wieder in der Kritik. So kam das Münchner Ifo-Institut im vergangenen Jahr in einer Studie zu dem Schluss, dass eine Erhöhung des Kindergeldes für den Staat teuer ist, Familien aber gleichzeitig kaum etwas bringe. So spielten bei der Entscheidung, Kinder zu bekommen, „für junge Paare rein monetäre Leistungen keine nennenswerte Rolle“, hieß es in der Studie. Im Bundestagswahlkampf hatte die Union angekündigt, das Kindergeld und den Steuerfreibetrag für Kinder erhöhen zu wollen – ein Versprechen, das sie während der Koalitionsgespräche wieder kassieren musste. Die SPD war ihrerseits mit der Forderung eines nach Einkommen gestaffelten Kindergeldes in den Wahlkampf gegangen. Im Koalitionsvertrag steht dazu nichts.