Nach dem Referendum gegen Zuwanderer ist es um das Verhältnis der Eidgenossen zur EU schlecht bestellt

Berlin. Die Schweizer haben sich in einem Referendum für eine Begrenzung der Einwanderung ausgesprochen. Um das Verhältnis der Eidgenossen zur EU ist es deshalb schlecht bestellt. Und auch bei Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) kam das Votum alles andere als gut an. Bei einem Besuch des Schweizer Bundespräsidenten Didier Burkhalter in Berlin schlug die Kanzlerin versöhnliche Töne an und warnte vor übertriebenen Reaktionen gegen die Schweiz. Die Kontakte zwischen der EU und der Schweiz solle man nicht „vorschnell zerbrechen“ lassen, sagte Merkel. Sie bedauere die Entscheidung der Schweizer Bürger, respektiere das Votum aber selbstverständlich. Nun müsse wohlüberlegt und gut miteinander verhandelt werden, sagte Merkel. Ziel sei, dass die Beziehungen der EU mit der Schweiz so intensiv wie möglich blieben.

Die Eidgenossen hatten am 9. Februar bei einer Volksabstimmung mit 50,3 Prozent für eine Begrenzung der Zuwanderung aus der Europäischen Union gestimmt. Die Regierung muss nun nach einer dreijährigen Übergangszeit jährliche Obergrenzen für Asylbewerber und für EU-Bürger setzen. Der Ausländeranteil in der Schweiz beträgt 23 Prozent. Das Referendum erschwert die Beziehungen zwischen der EU und der Schweiz. Die Schweiz ist zwar kein EU-Mitglied, hat aber viele Verträge mit Brüssel unterzeichnet. Erste politische Konsequenzen zog die Abstimmung bereits nach sich: Die EU hatte am Wochenende Verhandlungen über eine Beteiligung der Schweiz an einem Forschungs- und einem Studentenaustauschprogramm gestoppt.

Merkel warnte jedoch vor hastigen Sanktionen gegen die Schweiz. Die dreijährige Übergangszeit sollte für vernünftige Lösungen genutzt werden, so Merkel: „Ich glaube, dass wir in den verschiedenen Bereichen sehr ruhig überlegen sollten, wie gestalten wir das weiter. Burkhalter verwies darauf, „über eine eventuelle Anpassung des Freizügigkeitsabkommens“ verhandeln zu wollen. Allerdings gebe es „keinen Grund“, sämtliche Kooperationen zwischen Bern und Brüssel auf Eis zu legen.

Ungeachtet des Referendums wollten Deutschland und die Schweiz ihre Beziehungen vertiefen, machten Burkhalter und Merkel deutlich. Die wirtschaftlichen und politischen Beziehungen sollten noch enger werden, gerade in der „jetzigen Phase, die wir durchleben werden“, betonte Burkhalter. Er verwies auf das bilaterale Handelsvolumen von 75 Milliarden Euro. Burkhalter betonte, es gebe nach dem Volksentscheid einen Verfassungsauftrag. Es sei noch nichts geändert worden seit dem Referendum. Nach wie vor gelte die Personenfreizügigkeit. Bezüglich des bereits ratifizierten, dann aber doch nicht in Kraft gesetzten Arbeitsabkommens mit Kroatien seien der Schweizer Regierung allerdings die Hände gebunden, so Burkhalter. Neu abzuschließende Abkommen dürften aber nicht gegen das Referendumsergebnis verstoßen. An einer Lösung werde noch gearbeitet, sagte Burkhalter, der zugleich versprach: „Am Schluss wird Kroatien nicht diskriminiert!“ Nach Merkels Worten sind Quotierungen mit der Freizügigkeit „nicht vereinbar“. Mit Blick auf den Fall Kroatien betonte sie aber, auch in Deutschland habe es bei der Öffnung des Arbeitsmarktes nicht vom ersten Tag an die totale Freizügigkeit gegeben, sondern eine mehrjährige Übergangsphase.

Weniger diplomatisch als Merkel gab sich der französische Industrieminister Arnaud Montebourg. Er bezeichnete das Schweizer Votum für eine Begrenzung der Einwanderung als „kollektiven Selbstmord“. Als Vergeltung würden Zölle auf Exportgüter aus der Eidgenossenschaft verhängt, sagte der sozialistische Politiker im Hörfunksender France Inter. „Die Schweiz treibt sich so selbst in die Armut.“