Wirtschaft und Gewerkschaften sprechen sich dafür aus, Verbesserungen für Mütter aus Steuermitteln zu finanzieren

Berlin. Arbeitgeber, Gewerkschaften und Sozialverbände haben Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) davor gewarnt, die geplante Mütterrente durch Rücklagen der gesetzlichen Rentenversicherung zu finanzieren. Verbesserungen bei der Mütterrente müssten mit Steuermitteln, nicht aus Beitragsmitteln bezahlt werden, heißt es in den Stellungnahmen der Experten für die öffentliche Anhörung zum Rentenbeitragsgesetz der Regierung am heutigen Montag vor dem Sozialausschuss im Bundestag.

Die Große Koalition hat angekündigt, den Beitragssatz zur Rentenversicherung nicht, wie gesetzlich vorgeschrieben, zu senken. Eigentlich hätte der Satz zum 1. Januar um 0,6 Prozentpunkte auf 18,3 Prozent verringert werden müssen, da die Reserven das gesetzliche Mindestsoll weit überschreiten. Bis Ende 2013 stieg die Rücklage mit 29,5 Milliarden Euro auf den höchsten Stand seit 20 Jahren. Die Beitragszahler wären so um 7,5 Milliarden Euro im Jahr entlastet worden. Ohne Beitragssatzsenkung zahlt im Westen jeder pro Jahr durchschnittlich 209 Euro mehr in die Rentenkasse, im Osten 176 Euro.

Die Regierung will die Mittel für das geplante Rentenpaket ausgeben. Darin sind neben der Mütterrente auch die Rente mit 63, Verbesserungen für Erwerbsgeminderte und eine Aufstockung des Reha-Budgets vorgesehen. Der größte Brocken ist die Mütterrente, die bis 2018 etwa 30 Milliarden Euro kosten wird. „Die gesamte Nachhaltigkeitsrücklage würde damit allein durch die Verbesserung bei der Mütterrente verbraucht“, klagt der Sozialverband VdK in seiner Stellungnahme. Dies hätte gravierende Auswirkungen auf die gesetzliche Rentenversicherung. „Das Rentenniveau wird noch weiter absinken“, sagt der Sozialverband voraus. „Für notwendige Reformen zur wirksamen Bekämpfung von Altersarmut würden die finanziellen Spielräume weiter schrumpfen. Stattdessen bestünde die Gefahr weiterer Leistungskürzungen.“

Auch für den Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) ist es „völlig unvertretbar“, wenn der finanzielle Spielraum durch den höheren Beitragssatz für die Finanzierung der verbesserten Anerkennung von Kindererziehungszeiten „missbraucht“ wird. Dies laufe auch dem Ziel der finanziellen Stabilität zuwider. „Diese Mittelentfremdung lehnt der DGB ab.“ Dabei sind Gewerkschaften und Sozialverbände für den Verzicht auf eine Beitragssenkung.

„Durch die Stabilisierung des Beitragssatzes wird sichergestellt, dass der gesetzlichen Rentenversicherung zusätzliche Finanzmittel für wichtige und dringend notwendige Leistungsverbesserungen zur Verfügung stehen“, so der Sozialverband Deutschland. Da diese Finanzmittel aber aus Beitragseinnahmen stammten, sollten sie auch den Beitragszahlern zugutekommen: etwa durch Verbesserung bei den Erwerbsminderungsrenten oder eine Aufstockung des Reha-Budgets.

Gegen die Finanzierung der Mütterrente fast ausschließlich aus Mitteln der Beitragszahler hatte auch der Vorstand der Deutschen Rentenversicherung protestiert. Die Anerkennung von Kindererziehungsleistungen sei eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, die daher von allen Steuerzahlern zu finanzieren sei. Es gebe keinen Grund, warum Beitragszahler auch Mütterrenten für diejenigen finanzieren sollen, die nie in die Rentenversicherung eingezahlt haben, etwa Selbstständige, Ärzte, Anwälte, Apotheker und Architekten.

Die Bundesvereinigung der deutschen Arbeitgeberverbände kritisiert die fehlende Bereitschaft zur Beitragssatzsenkung, da sie Arbeitgebern und Arbeitnehmern eine wichtige Entlastung vorenthalte. Diese wäre vor allem wichtig, weil der Beitrag der Pflegeversicherung nach den Plänen der Koalition um 0,5 Prozentpunkte steigen soll. Mit der entgangenen Beitragssatzsenkung um 0,6 Punkte bei der Rente summiert sich die Belastung schon auf 1,1 Prozentpunkte.

Das IMK-Institut der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung nennt es „fahrlässig“, den Beitragssatz zu senken. Denn künftig seien höhere Beitragssätze nötig, um einem drohenden Anstieg der Altersarmut zu begegnen. Schon wegen der demografischen Entwicklung müsse der Beitragssatz langfristig steigen. Der DGB schlägt eine Anhebung in kleinen Schritten vor. „Eine Beitragsanhebung um jährlich 0,3 Prozentpunkte würde ausreichen, um Rücklagen in einem nennenswerten Umfang zu einer Demografie-Reserve aufzubauen.“ Diese könnte genutzt werden, um die Renten der heutigen Beitragszahler zu stabilisieren.