Kritik an Ermittlern. Hat der „aus Gesundheitsgründen“ zurückgetretene SPD-Abgeordnete einen Tipp bekommen vor der Wohnungsdurchsuchung?

Hannover. Der niedersächsische SPD-Politiker Sebastian Edathy soll nach Informationen aus Sicherheitskreisen Kunde bei einem kanadischen Online-Shop gewesen sein, der kinderpornografisches Material angeboten hat. Die Staatsanwaltschaft Hannover ist sich sicher, dass ein begründeter Anfangsverdacht gegen Edathy vorliegt. Die Ermittler gehen Hinweisen nach, denen zufolge Edathy das Material teilweise über einen Internetserver des Bundestags gekauft haben soll. Diesen Angaben zufolge hat er offenbar seine Kreditkarte eingesetzt.

Bei den von Sebastian Edathy erworbenen Aufnahmen soll es sich um sogenannte Posing-Videos handeln. In solchen Filmen werden leicht oder unbekleidete Kinder und Jugendliche gezeigt, jedoch keine sexuellen Handlungen. Auf Nachfrage wollte sich Edathy nicht dazu äußern.

Spätestens im vergangenen November hatte das Bundeskriminalamt (BKA) erste Hinweise darauf erhalten, dass Edathy möglicherweise einer von zahlreichen Kunden des kanadischen Online-Shops Azov Films für kinderpornografisches Material sein könnte. Entsprechende Informationen waren von den kanadischen Ermittlungsbehörden im Zuge der „Operation Spade“ an die deutschen Kollegen in Wiesbaden übermittelt worden. Die Ermittlungen gegen die Hintermänner und Kunden von Azov Films führten zu 348 Verhaftungen in rund 50 Ländern. Mehr als 300 Kinder konnten weltweit aus den Händen der Kinderporno-Produzenten befreit werden. Hochrangige SPD-Kreise bestätigten, dass namhafte Sozialdemokraten bereits im Dezember 2013 von dem Verdacht gegen Edathy informiert wurden.

Sollte dies zutreffen, wären sensible Informationen aus Ermittlerkreisen an unbefugte Stellen weitergegeben worden. Zu diesem Zeitpunkt gab es noch keine Ermittlungen gegen Edathy. Mehr noch, der Niedersachse war damals noch nicht einmal von offizieller Seite über die Vorwürfe gegen ihn informiert worden.

Bei den Ermittlungen ist es offenbar zu einer schweren Panne gekommen. Die Staatsanwaltschaft Hannover plante demnach am vergangenen Freitag, Bundestagspräsident Norbert Lammert über die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens gegen Edathy zu unterrichten. Doch noch bevor dies geschah, trat der Abgeordnete überraschend „aus Krankheitsgründen“ zurück.

Ermittlern zufolge könnte Edathy einen Hinweis auf die bevorstehende Einleitung des Verfahrens und die geplante Razzia bekommen haben. Sollte dies zutreffen, könnte die Hausdurchsuchung im Wohnhaus Edathys im niedersächsischen Rehburg zu spät gekommen sein. Denn in diesem Fall wäre es nach Angaben aus Ermittlerkreisen denkbar, dass der Politiker die Gelegenheit gehabt hätte, belastendes Material zur Seite zu schaffen.

Edathy weist die Vorwürfe des Besitzes von Kinderpornografie weiterhin vehement zurück. „Nach mir vorliegenden Informationen wirft mir die Staatsanwaltschaft ausdrücklich kein strafbares Verhalten vor“, sagte er dem Nachrichtenportal „Spiegel online“. Die Durchsuchungen seines Hauses seien unverhältnismäßig und stünden im Widerspruch zu rechtsstaatlichen Grundsätzen. „Ich hoffe, dass die Staatsanwaltschaft demnächst einräumt, dass die Vorwürfe gegenstandslos sind“, sagte Edathy, der sich aktuell im Ausland aufhalten soll.

Die niedersächsische Justizministerin Antje Niewisch-Lennartz (Grüne) forderte eine Erklärung, wie Fotos aus den Durchsuchungen an die Öffentlichkeit gelangen konnten. Sie habe die Generalstaatsanwaltschaft Celle deswegen um eine schriftliche Stellungnahme gebeten, sagte Ministeriumssprecher Alexander Wiemerslage. Die Nienburger Zeitung „Die Harke“ hatte zuerst über die Durchsuchungen berichtet und auch Fotos von der Aktion aus der Wohnung des Politikers veröffentlicht.

Eine Sprecherin der Staatsanwaltschaft Hannover bestätigte, dass am Mittwoch eine weitere Wohnung des SPD-Politikers durchsucht worden sei. Erst am Dienstag sei den Ermittlern bekannt geworden, dass Edathy im selben Haus in Rehburg noch eine zweite Wohnung als Büro nutzt. Daraufhin sei die weitere Durchsuchung wegen „klaren Anfangsverdachts“ beim Ermittlungsrichter beantragt und genehmigt worden. Sichergestellt wurde ein Computer und eine große Kiste mit Unterlagen. Die Auswertung des beschlagnahmten Materials dauert derzeit noch an.

Hausdurchsuchungen wie im Fall des SPD-Innenpolitikers Sebastian Edathy sind laut Strafprozessordnung nur dann zulässig, wenn eine Person „als Täter oder Teilnehmer einer Straftat oder der Begünstigung, Strafvereitelung oder Hehlerei verdächtig ist“. Eine Durchsuchung wird – sofern nicht „Gefahr im Verzug“ besteht – von einem Richter dann angeordnet, wenn die Ermittler vermuten, dass entweder der Verdächtige selbst oder Beweismittel gefunden werden können. Das Recht von Ermittlern, Wohnräume zu durchsuchen, steht dem Grundrecht auf Unverletzlichkeit der Wohnung (Grundgesetz, Artikel 13) gegenüber.