BGH hat entschieden, wann Pflegekosten gezahlt werden müssen

Karlsruhe. Erwachsene Kinder müssen mit ihrem Einkommen für die Pflege- und Heimkosten der Eltern grundsätzlich haften – das ist im Prinzip bekannt. Aber dass diese Fürsorge auch für Eltern gilt, die bereits vor Jahrzehnten aus eigenem Antrieb den Kontakt zu ihren Kindern abgebrochen haben, hat nun der Bundesgerichtshof (BGH) entschieden.

Der aktuelle Beschluss ist auch für die Kommunen in Deutschland von hoher Bedeutung. Denn schließlich wollen sie auf den Kosten der Heimunterbringung für viele Senioren nicht sitzen bleiben und überziehen deshalb die Angehörigen oft mit harten Forderungen – bis hin zu Zwangsdarlehen auf deren Eigenheime.

Kein Wunder: Dem Städte- und Gemeindebund zufolge mussten Kommunen im vergangenen Jahr 3,7 Milliarden Euro für die sogenannte Hilfe zur Pflege ausgeben. Das sind Kosten, die an den Kommunen hängen bleiben, wenn die Renten der Betroffenen und deren Vermögen nicht ausreichen für die Heimunterbringung und gleichzeitig bei den Kindern der mittlerweile 2,5 Millionen Pflegebedürftigen mangels Masse auch nichts zu holen ist. Die nächste Milliardengrenze dürfte wegen der demografischen Entwicklung aber bald überschritten sein, und die Kommunen scheuen sich deshalb nicht, bis zum BGH zu streiten.

Im aktuell entschiedenen Fall muss nun ein Sohn mehr als 9000 Euro Heimkosten für seinen Vater der Stadt Bremen erstatten. Der Sohn hatte die Forderung der Stadt zunächst mit dem Argument verweigert, sein Vater habe vor mehr als 40 Jahren den Kontakt zu ihm einseitig abgebrochen. Im Mai 2004 hatte der BGH nämlich einer Rentnerin den Anspruch auf Unterhalt gegenüber ihrer Tochter verwehrt, weil die Mutter den Kontakt zu ihrer Tochter in deren Kindheit beendet hatte.

Laut BGH gilt zunächst grundsätzlich die im Bürgerlichen Gesetzbuch geforderte Pflicht für Eltern und Kinder auf gegenseitigen „Beistand“. Ob Eltern diese Pflicht „gröblich“ verletzen und ihren Unterhaltsanspruch damit verlieren, macht das Gericht im Einzelfall jedoch vom Zeitpunkt des Kontaktabbruchs abhängig.

Bei erwachsenen Kindern ist ein Kontaktabbruch noch keine „schwere Verfehlung“, bei minderjährigen schon. Begründung: Eltern schulden Kindern nur bis zu deren Volljährigkeit eine „besonders intensive elterliche Fürsorge“. Danach dürften Eltern das „familiäre Band“ zu ihren Kindern ohne Furcht vor Unterhaltsverlust „aufkündigen“.

Dies erklärt die unterschiedlichen Ergebnisse der Grundsatzentscheidungen. Im ersten Fall hatte die Mutter ihre damals dreijährige Tochter verlassen, um auszuwandern. Der BGH sah darin einen „groben Mangel an elterlicher Verantwortung“ und verweigerte der später zurückgekehrten Mutter den Anspruch auf Elternunterhalt.