Der ehemalige Bundespräsident erinnert sich als Zeuge im Korruptionsprozess gegen Olaf Glaeseker plötzlich wieder

Hannover. Es ist wieder ein schwieriger Tag für Christian Wulff am Landgericht von Hannover. Obwohl der „Altpräsident“, wie er sich in einem Anflug von Selbstironie bezeichnet, an diesem Montagmorgen nicht auf der Anklagebank sitzt. Wulff ist als Zeuge im Prozess gegen seinen früheren Sprecher Olaf Glaeseker geladen, den er in einer ersten Aussage bei der Polizei belastet hat. Vor Gericht rudert der Ex-Präsident Stück für Stück zurück. Auch weil die Richterin bestens vorbereitet ist, hartnäckig nachfragt, bei Widersprüchen nachhakt und es nicht durchgehen lässt, wenn Wulff versucht, konkrete Fragen allgemein zu beantworten.

Am Ende der mehr als zweieinhalbstündigen Befragung hat Christian Wulff einigermaßen nachgeholt, was er seinem Ex-Sprecher 2012 verweigert hatte. Wulff gibt zu, dass er sowohl von der engen freundschaftlichen Beziehung zwischen Glaeseker und dem mitangeklagten Partyveranstalter Manfred Schmidt gewusst hat. Er bestätigt auf Nachhaken der Richterin auch, dass er selbst Sponsoren auf ein mögliches Engagement beim Nord-Süd-Dialog angesprochen hat. Nur „Bettelbriefe“ habe er nicht geschrieben.

In einem Punkt bleibt Wulff trotz intensivster Befragung hart: Nein, davon, dass Glaeseker in zwölf Fällen Urlaub in den Mittelmeerdomizilen Schmidts gemacht hat, will Wulff nichts gewusst haben. Allerdings gibt er zu, dass er sich bewusst gewesen sei, dass Glaeseker und Schmidt sich in diesen Urlauben begegnet sind. Es ist eben ein schmaler Grat, auf dem sich Christian Wulff im Schwurgerichtssaal des Landgerichts Hannover bewegt.

Würde Wulff nämlich einräumen, auch Kenntnis über die Vorteile gehabt zu haben, die Glaeseker aus seinem Verhältnis zu Schmidt zog, hätte er sich als Vorgesetzter seines damaligen Regierungssprechers womöglich ebenfalls strafbar gemacht. Andererseits würde eine solche Aussage Glaeseker entlasten, weil klar wäre, dass er seinem Arbeitgeber diesen Teil seiner Beziehung zu Schmidt nicht verheimlicht hätte. Verheimlichung, das haben alle Beteiligten mittlerweile bemerkt, ist ein zentrales Merkmal für Korruptionsdelikte.

Glaeseker und Wulff wehren sich derzeit in zwei getrennten Strafverfahren gegen den Vorwurf, käuflich gewesen sein. Während der Ex-Bundespräsident in seinem Prozess kurz vor dem Freispruch steht, ist die Lage im Fall seines ehemaligen Sprechers noch unübersichtlich.

Dies vor Augen, tritt Wulff zunächst sehr forsch in den Zeugenstand, bezeichnet sich als „relativ jungen Altpräsidenten“, teilt quasi nebenbei mit, dass er wieder als Rechtsanwalt zugelassen ist, und berichtet, dass seine einst sehr enge Beziehung zu Glaeseker derzeit quasi auf Anraten seiner Anwälte ruht. „Nach den Verfahren“, so hofft Wulff, werde es bestimmt wieder „wie vorher“. Er nimmt damit jene ausgestreckte Hand an, die der Angeklagte Glaeseker ihm vor seinem Auftritt als Zeuge im parallel laufenden Wulff-Prozess gereicht hatte. Er hatte Wulff eine belastende Aussage „verziehen“ und auf eine „zurückkehrende Erinnerung“ seines Ex-Vorgesetzten gehofft.

„Inzwischen ist mir eingefallen...“, sagt Wulff, dass Glaeseker ihm gelegentlich von seinen Urlauben berichtet habe. Allerdings nicht vom Besitzer der Räumlichkeiten, in denen sein Sprecher sich in den Ferien aufhielt. „Ich wusste bis 2011 nicht, dass es Immobilien von Manfred Schmidt in Südfrankreich gibt“, beteuert Wulff.

Dagegen relativiert der 54-jährige Ex-Präsident seine frühere Aussage, Glaeseker sei für ihn im Urlaub nicht erreichbar gewesen. Er betont, dass sein Ex-Pressesprecher zwischen 2003 und 2010 im nimmermüden Einsatz für Niedersachsen und seinen Ministerpräsidenten gewesen sei. Auch als es darum ging, den „Nord-Süd-Dialog“ anzuschieben, jene Promi-Party in Hannover, für die Glaeseker auch auf Drängen Schmidts Sponsoren gesucht habe. Wulff gibt auch zu, sich persönlich bei Unternehmen für eine finanzielle Unterstützung dieses Events verwandt zu haben. Er habe aber „keine Bettelbriefe“ geschrieben. Das sei nur bei Veranstaltungen passiert, bei denen das Land offiziell als Ausrichter aufgetreten sei.