Die Verteidigungsministerin will, dass die Bundeswehr mehr Verantwortung in Afrika übernimmt. Nur wie? In Mali und Senegal sucht sie eine Strategie

Bamako. Ursula von der Leyen bewegt sich so vertraut durch den Präsidentenpalast in Bamako, als sei sie auf einem niedersächsischen Gutshof. Entspannt plaudert die CDU-Politikerin mit Malis Staatsoberhaupt Ibrahim Boubacar Keita, natürlich auf Französisch. Der Termin ist auf 20 Minuten anberaumt, dauert aber gut doppelt so lange. Man versteht sich. Sprachlich versiert, diplomatisch verbindlich, die Gesprächspartner für sich einnehmend: So präsentierte sich von der Leyen während ihrer zweitägigen Reise durch den Westen Afrikas. Ob Präsident Keita oder die Verteidigungsminister im Senegal und Mali – staunend registrierten die Afrikaner, dass die neue deutsche Kollegin zwar noch nicht lange im Amt, von ihr aber einiges zu erwarten ist. Erwartungsvoll hatten Zeitungen und Sender in Malis Hauptstadt Bamako bereits über die Verlautbarungen der Bundesregierung berichtet, wonach sich Deutschland militärisch, diplomatisch und entwicklungspolitisch stärker in Afrika engagieren wolle. Bei ihrem Besuch unterstrich von der Leyen diese Ankündigung.

Sie betonte, der Regierung ginge es dabei vor allem um Hilfe zur Selbsthilfe, um die Stabilisierung gefährdeter staatlicher Strukturen durch Ausbildung, Beratung und Ausstattung. Auf Nachfrage schloss sie aber auch künftige Kampfeinsätze nach dem Muster Afghanistans nicht aus. „Jede Krise hat ihr eigenes Gesicht“, sagte von der Leyen. Und wenn die Vereinten Nationen, die Nato oder die EU zu dem Schluss kämen, dass ein Eingreifen nötig sei, dann kenne Deutschland seine Verantwortung. Staunen durften auch die eigenen Soldaten. Sie wurden von weniger robusten Tönen überrascht. Hatten sie nicht gerade noch einen Minister gehabt, der ihnen befahl, nicht so sehr nach Anerkennung zu gieren? Bei Thomas de Maizières Nachfolgerin hörte sich das ganz anders an, nämlich nach einer ultimativen Lobhudelei. „Ich freue mich, bei Ihnen zu sein“, so begann von der Leyen ihre diversen Treffen mit den deutschen Einsatzkontingenten in Dakar, Bamako und Koulikoro. Und ließ dann die immer gleichen Versatzstücke folgen: wichtige Arbeit, hochgeschätzt überall, stolz und dankbar, wertvoll und unverzichtbar – mehr Anerkennung geht nicht.

Sogar die politische Konkurrenz zeigte sich recht zufrieden mit der Ministerin. Hans-Peter Bartels und Rainer Arnold (SPD), beide alteingesessene Verteidigungspolitiker des Bundestags, lobten den Auftritt der Christdemokratin in Afrika. Sie suche immer wieder das Gespräch mit den Vertretern des Parlaments, sei nicht so steif wie ihr Vorgänger – und höre auch mal zu.

So viel lässt sich also sagen: Nach gut sechs Wochen spielt von der Leyen die Rolle einer Verteidigungsministerin schon ziemlich gut. Sie ist eine überzeugende Darstellerin, weiß sich insbesondere vor Publikum vorteilhaft in Szene zu setzen. Zweifel kamen auf der Reise allerdings gelegentlich daran auf, ob sie ihre Aufgaben auch inhaltlich schon vergleichbar souverän beherrscht. Denn von der Leyen ließ nicht nur andere staunen, sondern reiste selbst staunend durch Mali und den Senegal. Ständig war sie „gespannt“, „neugierig“, wollte ganz viel Neues „lernen“. An sich ist das löblich. Nur ist sie eben jene Ministerin, die gerade verkündet hat, dass Deutschland nicht untätig auf die Krisen des Kontinents blicken dürfe und notfalls sogar Kampfeinsätze nicht ausschließe. Da könnte man dann schon so etwas wie eine Strategie für das deutsche Engagement südlich des Mittelmeeres erwarten.

Die aber gibt es nur punktuell, nämlich für den Ausbildungseinsatz in Mali. Von Beginn des mit derzeit 70 deutschen Sanitätern und 30 Pionieren durchgeführten Ausbildungseinsatzes an war klar, dass das Mandat länger als nur ein Jahr würde dauern müssen. Die EU-Mission, bestehend aus rund 550 Soldaten aus 23 Staaten, wird Ende Februar rund 2600 malische Soldaten in vier Gefechtsverbänden ausgebildet haben – zu wenig, wie der französische Brigadegeneral Bruno Guibert findet. Der neue Akzent der Bundesregierung besteht darin, dass das deutsche Kontingent von bislang maximal 180 auf künftig bis zu 250 Soldaten aufgestockt wird. Die neuen Kräfte sollen zusätzlich zu Sanitäts- und Pionierausbildung noch den Wachschutz für die Trainingscamps übernehmen. Das ist ein schlüssiges Konzept, weil es einerseits die verbündeten Franzosen entlastet und andererseits dem Schlagwort von der Hilfe zur Selbsthilfe für eine Region entspricht, die nur eine Landesgrenze vom Mittelmeer entfernt liegt.

Doch Afrika ist nicht nur Mali, auf dem Rest des Kontinents warten eine ganze Reihe weiterer Krisen. Nach welchen Kriterien von der Leyen künftig entscheiden will, wo Deutschland sich einbringt, dazu wusste die Ministerin noch nichts zu sagen. Nicht mal die Frage, ob das im Dezember unterbrochene Engagement bei der Ausbildung von Soldaten für Somalia wieder aufgenommen werden soll. Oder der Bürgerkrieg in Zentralafrika: Derzeit plant die Regierung, sich an der bevorstehenden EU-Mission mit einem fliegenden Lazarett zu beteiligen. Aber es wurde auch über Lufttransport geredet. Bedenken, etwa des Wehrbeauftragten, dass die Truppe dafür nicht ausreichend Kapazitäten habe, wischte von der Leyen vom Tisch: „Es hat Zeiten gegeben, da waren 11.000 Soldatinnen und Soldaten im Einsatz. Zurzeit sind 5000 Soldaten im Einsatz, da der Afghanistan-Einsatz sich dem Ende zuneigt. Von der Kapazität seitens der Soldatinnen und Soldaten ist dies durchaus ohne Weiteres machbar.“ Die Truppe sei keineswegs an der Grenze der Belastbarkeit.

Die Truppe nicht, aber einzelne Fähigkeiten schon. Im Gespräch mit den Soldaten vor Ort erfuhr die Ministerin, dass von den mehreren Dutzend Transall-Transportmaschinen derzeit zwar nur zehn im Einsatz sind: sieben in Afghanistan, drei in Dakar. Doch die Crews in Dakar legten ihr dar, dass die Besatzungen damit an ihre Grenzen stoßen. Dass Piloten und Techniker schon jetzt drei- oder viermal pro Jahr abkommandiert werden, die meisten eine zweistellige Zahl von Einsätzen auf dem Buckel haben. Dass weitere Einsätze daher nur schwer möglich sind.

Übersetzt heißt das: Wenn die Bundesregierung nicht nur ein Rettungsflugzeug nach Zentralafrika schicken wollte, sondern auch Transall-Transporter, wäre das nur unter größten Problemen zu bewerkstelligen. Unter solchen Bedingungen bleibt die Ankündigung von der Leyens, mehr Verantwortung wahrnehmen zu wollen, reine Rhetorik – und das künftige Engagement in Afrika eine Expedition ins Ungewisse.