Die SPD fordert von Angela Merkel, sich mit dem Fall der möglichen Steuerflucht des Unionspolitikers Helmut Linssen zu beschäftigen

Berlin. Die Finanzgeschäfte des CDU-Schatzmeisters Helmut Linssen sorgen für Verwerfungen in der Großen Koalition. Nach den Grünen fordert auch die SPD Linssen auf, seine Geldtransfers auf Briefkastenfirmen auf den Bahamas und Panama aus den 90er-Jahren aufzuklären. „Die Hintergründe müssen auf den Tisch“, sagte Grünen-Bundesgeschäftsführer Michael Kellner. Linssens bisherige Äußerungen reichten nicht aus. „Gerade ein CDU-Schatzmeister und ehemaliger Landesfinanzminister müsste wissen, dass es sich bei Schwarzgeldkonten um kein Kavaliersdelikt handelt.“

SPD-Generalsekretärin Yasmin Fahimi verlangte eine härtere Gangart gegen Steuerbetrüger und Steueroasen. „Für die SPD ist klar: Steuerhinterziehung muss mit aller Härte verfolgt werden“, sagte sie. „Der Ehrliche darf nicht der Dumme sein. Wir wollen die strafbefreiende Selbstanzeige bis zu einer Bagatellgrenze abschaffen. Gleichzeitig müssen wir aber auch die Steuerfahndung verbessern und Steueroasen trockenlegen.“

Linssen hatte nach einem Bericht des Magazins „Stern“ Geld auf den Bahamas geparkt, die als Steuerparadies gelten. Demnach ließ er 1997 umgerechnet rund 400.000 Euro über die Bank HSBC Trinkaus in Luxemburg in eine Briefkastenfirma auf der Inselgruppe umleiten. Die Firma habe zunächst auf den Bahamas, dann in Panama gesessen. Ende 2004 sei das Bankkonto geschlossen worden.

Der CDU-Bundesschatzmeister selbst verteidigt sich: „Ich habe keine Steuern hinterzogen“, erklärte er. Bei dem Geld handele es sich um privates Vermögen seiner verstorbenen Eltern, das die Familie steuerlich korrekt erwirtschaftet habe. Ein Strafverfahren gegen ihn war aufgrund von Verjährungsfristen 2012 eingestellt worden. Er habe dabei keine Gewinne erzielen wollen. Erst nach dem Tod seines Vaters habe er von dem Konto in Luxemburg erfahren, seine Mutter habe auf dem Verbleib des Vermögens im Ausland bestanden, sagte er „Handelsblatt Live“.

Eine Aufgabe des Instruments der Selbstanzeige wie in der SPD lehnt man in der Union ab. Bartholomäus Kalb, haushalts- und finanzpolitischer Sprecher der CSU-Landesgruppe im Bundestag, sagte: „Das Institut der Selbstanzeige hat funktioniert. Es ist bedauerlich, dass das Steuergeheimnis verletzt wurde und diese Fälle an die Öffentlichkeit gelangten. Man darf aber das Institut der Selbstanzeige nicht beschädigen.“ Seine Abschaffung zu fordern sei vollkommen verfehlt. Kalb fordert stattdessen ein noch konsequenteres Vorgehen gegen Steuerhinterziehung. „Die Landesverwaltungen brauchen mehr Personal“, sagte Kalb. Eine Arbeitsgruppe aus Steuerexperten aus Bund und Ländern warnt ebenfalls davor, die strafbefreiende Selbstanzeige abzuschaffen. Das geht aus dem Bericht der Kommission hervor. Die Einschätzung der Arbeitsgruppe ist deshalb interessant, weil darin auch mehrere SPD-Vertreter aus den Bundesländern sitzen. „Eine Abschaffung der Selbstanzeige wäre mit erheblichen tatsächlichen und rechtlichen Unwägbarkeiten verbunden“, heißt es in dem Bericht.

Wenn die Möglichkeit zur Straffreiheit nicht mehr bestünde, müsse mit „deutlichen haushalterischen Nachteilen“ gerechnet werden. Selbst wenn mehr Steuerfahnder eingestellt würden, drohten Einnahmeeinbußen, da „nicht alle steuerrelevanten Sachverhalte durch Behörden ermittelbar beziehungsweise nachweisbar sind“. Deshalb empfiehlt die Expertenkommission, „nach Abwägung aller verfassungsrechtlichen, fiskalischen und verwaltungsökonomischen Aspekte“ die Straffreiheit bei Steuerdelikten beizubehalten. Denkbar seien aber Verschärfungen wie die Erhöhung der Zahlungen, die Zahlung von Strafzinsen, das Ausschließen der Selbstanzeige für weitere Fälle der schweren Steuerhinterziehung. Der Bericht der Arbeitsgruppe wird derzeit von den zuständigen Staatssekretären diskutiert und soll im März den Finanzministern aus Bund und Ländern vorgelegt werden.

SPD-Finanzexperte Joachim Poß nahm Kanzlerin Merkel ins Visier: „Es ist jetzt Sache von Frau Merkel in ihrer Eigenschaft als CDU-Vorsitzende, mit der Angelegenheit umzugehen“, sagte Poß der „Mitteldeutschen Zeitung“. Merkel wie die gesamte Unionsführung halten sich derweil zurück. Linssen war zu Zeiten seiner Geldtransfers auf die Bahamas Vorsitzender der CDU-Landtagsfraktion in Düsseldorf, von 2005 bis 2010 war er Landesfinanzminister, und seither ist er Schatzmeister in Merkels Bundes-CDU.

Das Schweigen ist verständlich: In der CDU weckt der Vorgang unangenehme Erinnerungen an die Zeit der Spendenaffäre zu Beginn der 2000er-Jahre. Auch wenn es sich bei Linssens Geld nicht um Parteigeld handelte, hat der Vorgang doch ein Geschmäckle. Besonders die Tatsache, dass er die letzte Auszahlung von 141.113 Euro in Luxemburg in bar entgegennahm, erinnert an die schwarzen Aktenkoffer voller Geld ungeklärter Provenienz, von denen auch in der Spendenaffäre die Rede war. Diese Affäre hatte den Sturz der alten Führung, den Bruch mit Helmut Kohl und den Aufstieg Angela Merkels zur Folge. Die Kanzlerin dürfte es sich deshalb ganz genau überlegen, ob sie einen in der Öffentlichkeit nie in Erscheinung tretenden Schatzmeister um den Preis im Amt hält, dass der Ruf der CDU beschädigt wird. Merkel hatte Linssen 2010 als Schatzmeister vorgeschlagen. Unbeantwortet ist bisher die Frage, ob Linssen Merkel über die Ermittlungen gegen ihn informiert hatte. Wenn ja, ging die Kanzlerin ein Risiko ein. Wäre die Sache aufgeflogen, hätte das zu politischen Eruptionen geführt. Weihte Linssen sie nicht ein, hat er das Vertrauen der Kanzlerin missbraucht. Seinen Verbleib im Amt macht das nicht wahrscheinlicher.