Hamburg. Als Sulaiman S. im Februar 2009 vor seinem Bewährungshelfer saß, habe S. von Angstzuständen und auch Wahnvorstellungen erzählt. Wenige Tage später reiste S. gemeinsam mit seinem Bruder und weiteren Personen von Hamburg über Katar ins Grenzgebiet zwischen Pakistan und Afghanistan. Der 27 Jahre alte Deutschafghane soll in der terroristischen Vereinigung Islamische Bewegung Usbekistan und auch al-Qaida aktiv gewesen sein. Sulaiman S. war Teil der sogenannten „Hamburger Reisegruppe“. Sein Bruder war 2012 in Koblenz zu sechs Jahren Haft verurteilt worden. Er galt als wichtiger Kontakt von al-Qaida in Europa.

Seit Ende Januar steht S. nun vor dem Hamburger Oberlandesgericht. Die Generalstaatsanwaltschaft wirft dem Angeklagten vor, er habe sich spätestens seit Anfang 2009 am „Heiligen Krieg“ beteiligen wollen. Unter dem Einfluss seines Bruders habe er sich radikalisiert und schließlich in Pakistan an Waffen ausbilden lassen. Beim Prozessauftakt hatte der Mann bestritten, je in einem Terrorcamp gewesen zu sein. Am dritten Verhandlungstag ging es vor allem um den psychischen Zustand des Angeklagten. Von den zahlreichen Treffen mit S. seit 2007 zeichnet der Bewährungshelfer das Bild eines „naiven und sensiblen jungen Mannes“, der zudem leicht beeinflussbar war. S. sei psychisch sehr labil gewesen.

Es ist die Frage, die über dem gesamten Prozess schwebt: Wie sehr ließ sich Sulaiman S. von seinem älteren Bruder leiten und überzeugen, nach Pakistan zu reisen oder gar in den „Heiligen Krieg“ zu ziehen? Trotz der Erzählungen von S. sagt der Bewährungshelfer: Er habe keine klaren Symptome einer Schizophrenie oder starken Depression bei S. erkennen können.

Die Vernehmung des Bewährungshelfers zeigt auch, dass S. vor seiner Abreise nicht in der deutschen Gesellschaft Fuß fassen konnte. Der Angeklagte wechselte oft den Job – erst war er Lagerarbeiter, dann bei einer Autovermietung, für kurze Zeit Barkeeper. Der Angeklagte ist mehrfach vorbestraft wegen Diebstahls, Drogenhandels und einem Tankstellenüberfall. In den Monaten vor der Abreise habe S. regelmäßig die Moschee in St.Georg besucht. Er und der Angeklagte seien sich einig gewesen, dass im Namen einer Religion keine Gewalt angewendet werden dürfe: „Das war Konsens.“