Mindestlohn und Rente mit 63 könnten Schwarzarbeit fördern

Berlin. Die Politik der Bundesregierung führt einer Studie zufolge dazu, dass mehr Menschen in Deutschland künftig Geld mit Schwarzarbeit verdienen. Vor allem die Pläne von Union und SPD für einen gesetzlichen Mindestlohn und die Rente mit 63 sorgen dafür, dass in Zukunft mehr Geld am Staat vorbei verdient wird, heißt es in einer Untersuchung der Universität Linz und des Tübinger Instituts für Angewandte Wirtschaftsforschung (IAW).

Nach der am Dienstag veröffentlichten Modellrechnung werden in der Schattenwirtschaft in diesem Jahr 338,5 Milliarden Euro umgesetzt. Das entspräche 12,2 Prozent des Bruttoinlandsprodukts und wäre der niedrigste Wert seit mehr als 20 Jahren. Im vergangenen Jahr lag die Schattenwirtschaftsquote noch um 0,2 Prozentpunkte höher. Dieser Rückgang ist allerdings so schwach wie seit vielen Jahren nicht. Und während in den vergangenen Jahren Arbeitsmarktreformen wie die Einführung von Minijobs die Schwarzarbeit unattraktiver machten, habe die Politik in diesem Jahr keinen Anteil an dem Rückgang, erklärten IAW-Direktor Bernhard Boockmann und der Linzer Schattenwirtschafts-Experte Friedrich Schneider. Der Rückgang sei ausschließlich eine Folge der stabilen Konjunktur.

Doch in den kommenden Jahren werde die Große Koalition der Schwarzarbeit voraussichtlich wieder Vorschub leisten. Pläne wie der flächendeckende Mindestlohn, die Finanzierung der Rente mit 63 oder die höheren Beiträge zur Pflegeversicherung machten legale Arbeit teurer und somit die Schwarzarbeit attraktiver. Zusammengerechnet erwarten die Experten durch diese Maßnahmen ein Wachstum der Schattenwirtschaft um drei Milliarden Euro pro Jahr. Noch stärker wirkt sich demnach aus, dass die Bundesregierung die kalte Progression, also den heimlichen Steueranstieg durch Lohnerhöhungen, nicht ausgleichen will. Das mache reguläre Arbeit unattraktiver und stärke die Schattenwirtschaft um 5,3 Milliarden Euro. „Gerade für Menschen mit mittlerem Einkommen steigt dadurch der Reiz, die höheren Abgaben zu umgehen und in die Schattenwirtschaft auszuweichen“, sagte Boockmann.

Unter Schattenwirtschaft fassen die Experten Schwarzarbeit, illegale Beschäftigung und kriminelle Aktivitäten zusammen. Bei Schwarzarbeit geht es darum, Steuern und Sozialabgaben zu umgehen. Illegale Beschäftigung ist die Arbeit von Ausländern, die auf legalem Wege nicht in Deutschland arbeiten dürften. Bei kriminellen Aktivitäten geht es vor allem um Hehlerei, Drogenhandel, Betrug und Schmuggel.

Von den insgesamt neun Millionen Schwarzarbeitern in Deutschland haben nach Schneiders Studien rund acht Millionen einen regulären Job und bessern sich nach Feierabend schwarz das Einkommen auf. Vollzeit-Schwarzarbeiter gebe es hingegen nur knapp eine Million – vor allem Arbeitslose und Frührentner. Immer beliebter werden nach Angaben von Experten Modelle, bei denen etwa eine Kellnerin für 20 Stunden pro Woche legal angestellt wird und den Lohn für die übrige Arbeitszeit bar auf die Hand bekommt. Die großen Verlierer durch Schwarzarbeit sind der Staat und die Sozialversicherungsträger. Ihnen gehen nach Schneiders Schätzungen rund 50 bis 60 Milliarden Euro pro Jahr verloren.