Merkels Minister betonen bei Münchner Sicherheitskonferenz, Berlin wolle eine stärkere Rolle in der Welt spielen. Nur politisch oder auch mit Soldaten?

München. Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) muss sich auf der Münchner Sicherheitskonferenz vorgekommen sein wie im falschen Film. Schon im Jahr 2011 hatte er sich kurz nach seinem Amtsantritt als Verteidigungsminister für mehr Verantwortung Deutschlands in der Welt ausgesprochen. „Das sehe ich als politische Führungsaufgabe einer Regierung an“, sagte er damals. Bei seiner Regierungschefin Angela Merkel allerdings fand er damit drei Jahre lang kein Gehör.

Jetzt ist Merkel zwar immer noch Kanzlerin, aber nun ist Ursula von der Leyen (CDU) Verteidigungsministerin. Und was passiert? Plötzlich reden alle von einer stärkeren Rolle Deutschlands in der Welt. „Die Bundesrepublik sollte sich als guter Partner früher, entschiedener und substanzieller einbringen“, sagte Bundespräsident Joachim Gauck bei der Eröffnung der Konferenz. Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) wiederholte diesen Satz tags darauf fast wortgleich. „Deutschland ist eigentlich zu groß, um Weltpolitik nur von der Außenlinie zu kommentieren“, sagte er in München. Und von der Leyen betonte, Gleichgültigkeit sei keine Option, wenn es um Krisenbewältigung gehe.

Dass die neue Tonlage jetzt erst angeschlagen wird, hat mehrere Gründe: In der vergangenen Legislaturperiode war Deutschland noch sehr mit sich selbst und der Bewältigung der Euro-Krise beschäftigt. Der Kampfeinsatz in Afghanistan war in seiner schwersten und verlustreichsten Phase. An noch mehr militärische Verantwortung mochte angesichts vieler toter deutscher Soldaten und einer mehrheitlichen Ablehnung der Mission in der Bevölkerung niemand so recht denken. Jetzt geht der Kampfeinsatz in Afghanistan dem Ende zu. Für die Bundesregierung entfällt damit ein Alibi, sich aus anderen Einsätzen wie etwa dem vor drei Jahren in Libyen herauszuhalten. Damals zog Deutschland überraschend seine Soldaten aus den Awacs-Aufklärungsflugzeugen der Nato ab, um nicht Teil des Libyen-Krieges zu werden. Außerdem enthielt es sich bei der Abstimmung über den Kriegseinsatz im Uno-Sicherheitsrat.

Zumindest so viel ist klar: Deutschland will jetzt den Ruf loswerden, der ewige Neinsager auf der Weltbühne der Sicherheitspolitik zu sein. Ob die Bundesregierung mit ihrer neuen Außenpolitik jedoch einen echten Wechsel anstrebt oder bloß ein besseres Image nach dem Schock des Libyen-Fiaskos, ist offen. Der Ärger über Deutschlands Verhalten in der Libyen-Krise sitzt bei den Verbündeten immer noch tief, das Misstrauen ist groß. Am klarsten brachten dies zuletzt die Niederlande zum Ausdruck, die bei der Sicherheitskonferenz mehr Verbindlichkeit bei der militärischen Zusammenarbeit in der EU verlangten. „Verlässlichkeit bedeutet, dass Partner sich nicht einfach fünf vor zwölf aus gemeinsam zugesagten militärischen Fähigkeiten zurückziehen“, mahnte Verteidigungsministerin Jeanine Hennis-Plasschaert. Wer Ja sage zu engerer militärischer Kooperation, müsse später auch Ja sagen zur Beteiligung an militärischen Einsätzen.

Die Aufbruchsstimmung in der deutschen Außenpolitik hat aber auch mit Personen zu tun. Ex-Außenminister Guido Westerwelle hielt vier Jahre lang die „Kultur der militärischen Zurückhaltung“ hoch. Mit Steinmeier führt jetzt wieder ein sicherheitspolitischer Aktivist das Auswärtige Amt, der einem militärischen Eingreifen als „Ultima Ratio“ – als letzte Möglichkeit – weniger reserviert gegenübersteht. Steinmeier war Kanzleramtschef, als Kanzler Gerhard Schröder (SPD) deutsche Soldaten auf den Balkan und nach Afghanistan schickte. Bis heute sind die dortigen Einsätze die größten und gefährlichsten der Bundeswehr.

Was bedeutet die neue „Kultur der Einmischung“ aber konkret? Bisher ist sie nur eine Veränderung der Haltung, die an den Taten gemessen werden wird. Als erstes Signal nennt Steinmeier die deutsche Beteiligung an der Vernichtung syrischer Chemiewaffen. Von der Leyen führt die Entsendung von bis zu 70 zusätzlichen Soldaten für eine Ausbildungsmission im westafrikanischen Mali an und – vielleicht – die Entsendung eines Sanitätsflugzeugs in die Zentralafrikanische Republik.

Von den US-Verbündeten wurde das auf der Sicherheitskonferenz wohlwollend aufgenommen. US-Verteidigungsminister Chuck Hagel begrüßte die deutsche Bereitschaft zur Entsendung von Truppen. Und US-Außenminister John Kerry bekräftigte, Amerika brauche ein starkes Europa. „Sich zurückzuziehen ist keine Option.“

Steinmeier und von der Leyen wollen die stärkere deutsche Rolle bei der Krisenbewältigung aber vor allem politisch verstanden wissen. Ernst genommen wird dieser Anspruch von den Verbündeten aber wohl nur, wenn Deutschland notfalls auch bereit ist, den Kopf hinzuhalten. Die Nagelprobe wird kommen, wenn es das nächste Mal um die Entsendung von Kampftruppen in einen Konflikt geht. In der Zentralafrikanischen Republik und in Mali schultern die Franzosen diese Last mit afrikanischen Truppen. Bei der nächsten Intervention könnte das anders sein. Wer außenpolitisch voranmarschieren will, kann dann möglicherweise nicht mehr den Kopf einziehen.