Außenminister John Kerry traf bei einem ersten Besuch nach dem Bekanntwerden der NSA-Affäre Bundeskanzlerin Angela Merkel

Berlin. Die Hoffnungen auf ein No-Spy-Abkommen mit den USA schwinden zunehmend. Der amerikanische Außenminister John Kerry sagte vor einem Gespräch mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), er wolle „in die Zukunft“ blicken. „Wir werden die Differenzen ausräumen“, betonte er. Es war Kerrys erster Besuch in Berlin, seit im Sommer bekannt geworden war, dass der amerikanische Geheimdienst NSA das Mobiltelefon der Bundeskanzlerin überwacht hatte.

Noch in ihrer Regierungserklärung am Mittwoch hatte Merkel scharfe Worte in Richtung USA gerichtet: „Ein Vorgehen, bei dem der Zweck die Mittel heiligt, erhöht das Misstrauen. Am Ende gibt es nicht mehr, sondern weniger Sicherheit.“ Doch bereits vor dem Kerry-Besuch hatten Politiker der Großen Koalition die Erwartungen an den Kerry-Besuch gedämpft. Innenminister Thomas de Maizière (CDU) erweckte am Freitagmorgen den Eindruck, er rechne nicht mehr mit einem No-Spy-Abkommen: „Es wird Gespräche weiter geben, ich bin aber nur begrenzt optimistisch, ob es dazu kommt.“

Tatsächlich wäre Kerry auch der falsche Ansprechpartner. Die Geheimdienste unterstehen nicht seinem Außenministerium. Kerry lobte die deutsch-amerikanische Freundschaft als „Motor der transatlantischen Beziehungen“. Amerika schätze das Verhältnis zu Deutschland sehr. Ohne die NSA-Abhörpraktiken direkt zu nennen, sagte er: „Hier und da gibt es noch etwas zu besprechen.“ Am Morgen hatte Kerry, nachdem er mit Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) zusammengetroffen war, von einer „harten Zeit“ gesprochen, „die wir in den vergangenen Monaten durchgemacht haben“. 2014 solle aber „ein Jahr der Erneuerung“ der deutsch-amerikanischen Freundschaft werden.

Tatsächlich hat man sowohl im Kanzleramt als auch im Außenministerium die Hoffnung auf das No-Spy-Abkommen de facto begraben. Allerdings hatte die Kanzlerin einen solchen Verzicht auf gegenseitige Spionage auf dem Höhepunkt der NSA-Affäre versprochen. Dazu kursieren hinter den Kulissen zwei Erklärungen. Merkel habe damit der Kritik an ihrer anfangs nur dezenten Kritik an der NSA im Wahlkampf die Spitze nehmen wollen, meinen Kritiker. Wohlwollendere Insider machen hingegen die amerikanische Innenpolitik verantwortlich. So sei den deutschen Geheimdienstlern und Beamten vonseiten ihrer amerikanischen Kollegen anfangs sehr wohl die Möglichkeit eines No-Spy-Abkommens angedeutet worden. Später habe aber das Weiße Haus entschieden, in keinem Fall einen solchen Vertrag abzuschließen, um keinen Präzedenzfall für andere Staaten zu schaffen.

Auch beim zweiten Thema, das ganz oben auf der außenpolitischen Tagesordnung steht, war Kerry nur bedingt der richtige Ansprechpartner. Um die Ukraine kümmert sich in der amerikanischen Administration vor allem der Vizepräsident Joe Biden. Kerry erklärte allerdings in Berlin, die Zugeständnisse von Präsident Viktor Janukowitsch an die Opposition seien bisher „unzureichend“. Merkel hatte schon am Morgen, nach einem Besuch des polnischen Ministerpräsidenten Donald Tusk im Kanzleramt, Janukowitsch aufgefordert, die repressiven Gesetze zur Einschränkung der Demonstrationsfreiheit zurückzunehmen. Sanktionen gegen die Kiewer Führung, wie sie etwa vom CDU-Europapolitiker Elmar Brok ins Spiel gebracht werden, schloss Merkel derzeit noch aus: „Im Augenblick konzentrieren wir uns darauf, dass die Gesprächsfäden zwischen Regierung und Opposition nicht völlig gekappt werden.“

In den Gesprächen mit Kerry dürfte es vor allem um seine Friedensinitiative für den Nahen Osten gegangen sein. Steinmeier lobte diese als „starken amerikanischen Versuch“. Kerry reiste nach München, wo er bei der Sicherheitskonferenz auf den russischen Außenminister Sergej Lawrow, den Uno-Generalsekretär Ban Ki-moon und die Außenbeauftragte der EU, Catherine Aston, treffen wollte, um mit ihnen zu beraten, wie Verhandlungen zwischen Israel und den Palästinensern erreicht werden können.

Merkel betonte jedoch, die transatlantische Partnerschaft sei für Deutschland von herausragender Bedeutung und könne durch Meinungsunterschiede an einzelnen Punkten nicht infrage gestellt werden. Man werde mit den USA Schritt für Schritt gemeinsame Lösungen finden. Allerdings würden die Differenzen offen angesprochen.

Steinmeier sagte nach dem Treffen mit seinem amerikanischen Amtskollegen: „Es wird uns gelingen, (...) da, wo Vertrauen zerstört worden ist, solches Vertrauen wieder herzustellen.“ Man müsse nun die unterschiedlichen Bewertungen der Balance zwischen Freiheit und Sicherheit ausloten.

Nach seinen Gesprächen mit Steinmeier und Merkel in Berlin wollte Kerry nach München weiterreisen. Dort nimmt er am Wochenende an der 50. Auflage der Sicherheitskonferenz teil.

Trotz der Belastungen durch die NSA-Affäre ist in den USA die Sympathie für Deutschland nach einer Umfrage auf dem höchsten Stand seit mehr als zehn Jahren: 59 Prozent der US-Bürger haben einen guten oder ausgezeichneten Eindruck von „Germany“. Dies ergab eine Umfrage, die die deutsche Botschaft in Washington am Donnerstagabend vorstellte.