Parteitag der Euro-Kritiker bestimmt Kandidaten für Europawahl und setzt auf nationale Interessen

Aschaffenburg. Zehn Monate ist die Alternative für Deutschland (AfD) nun alt, und der Weg zu sich selbst oder besser zu der Partei, die sie einmal werden will, ist nach wie vor weit. Darum scheint sie sich damit abgefunden zu haben, dass vorerst nur der Weg selbst das Ziel sein kann, also das Bemühen, zu einer Partei zu wachsen, die mehr ist als ein Sammelbecken für Euro-Kritiker, nämlich ein echtes politisches Angebot für die konservativen und liberalen Milieus in der Gesellschaft. Und sie will eine Kraft sein, die in der Lage ist, beide Elemente miteinander zu verbinden.

Auf diesem Weg war der Europaparteitag am Wochenende in Aschaffenburg eine wichtige Wegmarke. Dort bestimmte die Partei nicht nur ihre Spitzenkandidaten, sondern versuchte auch das inhaltliche Vakuum mit dem Wahlslogan „Mut zu Deutschland“ zu füllen. Bei dem dazugehörenden Logo ist um die Buchstaben „eu“ ein Kranz von zwölf goldenen fünfzackigen Sternen gewunden, der die Europäische Union symbolisiert. Es sei wichtig, zu dem Motto auch das Logo zu kennen, weil es noch deutlicher mache, worum es der AfD gehe, sagt der AfD-Kovorsitzende Konrad Adam: „Wir bekennen uns ausdrücklich zu Europa, ohne dabei jedoch deutsche Interessen zu ignorieren.“ Es war geargwöhnt worden, die AfD gebe ihre Euro-Kritik zugunsten eines national-konservativen Kurses auf. Adam bestreitet dies: „Das Herausstellen von nationalen Interessen ist die konsequente Fortsetzung unserer Euro-Kritik.“

Auf dem Parteitag verteidigte Lucke das Wahlkampfmotto mit den Worten, es gehe um den Mut zu einem Deutschland, das Teil der EU sei und bleiben solle. Deutschland lasse sich „nicht auf die EU reduzieren, und die EU soll und darf nicht alles in Deutschland prägen“. Ausdrücklich lehnte er eine Zusammenarbeit mit den britischen EU-Kritikern von der UK Independence Party (Ukip) ab. Die Ukip schlage in ihrer Zuwanderungskritik einen Tonfall an, „der mir nicht behagt“, sagte Lucke. Eine Diskussion um Zuwanderung sei berechtigt, müsse aber mit Fingerspitzengefühl geführt werden.

Spitzenkandidat Lucke, der ohne Gegenkandidaten antrat, erhielt bei der Wahl 261 Jastimmen, gegen ihn votierten 36 Parteimitglieder. Der frühere Präsident des Bundesverbandes der Industrie (BDI), Hans-Olaf Henkel, bekam 248 Stimmen, auf einen Mitbewerber entfielen 70 Stimmen. Das beste Ergebnis erzielte der renommierte Ökonom Joachim Starbatty. Er wurde mit 98 Prozent der Stimmen auf Platz fünf der Europa-Liste gewählt. In seiner Rede überraschte Henkel mit grundlegendem Meinungswandel zur Türkei. Der einstige Befürworter eines Türkei-Beitritts zur EU lehnt diesen nun entschieden ab. Das Land habe sich von Europa entfernt. „Die Türkei ist nicht mehr demokratisch“, sagte der 73-Jährige. Die Menschenrechte würden dort wie in anderen islamischen Ländern mit Füßen getreten. Das gelte besonders für die Rechte der Frauen.

Weil bei der Wahl des Europaparlaments am 25. Mai eine Dreiprozenthürde gilt, rechnet sich die AfD gute Chancen aus. Im September hatte sie mit 4,7 Prozent der Stimmen den Einzug in den Bundestag knapp verfehlt. Aktuelle Umfragen sehen sie bei vier bis fünf Prozent.